Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
vor der jungen Herrin, wenn ich bitten darf«, sagte Niccolò.
»Wenn sie erst mal die junge Herrin ist, werde ich ihr schon den nötigen Respekt erweisen. Bis dahin ist sie für mich ein holder Apfel wie die anderen Röcke auch, mit Kerngehäuse und allem.«
»Ich werde deine Bemerkungen Ser Domenico weitermelden, Pietro Trovatore!«
»O hab Erbarmen mit mir Armen«, sang Pietro und grinste über das ganze Gesicht.
Buonarotti tauchte neben Lorenzo auf und hängte den Kessel höher. »Du brennst alles an, capitano «, brummte er missmutig. »Das Zeug schmeckt ohnehin schon wie Pietros Leibhemd, da muss es nicht auch noch nach angebranntem Leibhemd schmecken.« Buonarotti begann mit einem geschälten Ast die Suppe umzurühren. Eigentlich hieß er Giuliano; seinen Spitznamen verdankte er seiner platt geschlagenen Nase, von der jemand vor langer Zeit behauptet hatte, sie sehe aus wie die Nase jenes schrulligen Bildhauers, dessen Zornesausbrüche ihn in ganz Florenz bekannt gemacht hatten, bevor er endlich nach Rom gegangen war. »Morgen, capitano «, sagte er. Buonarotti pflegte den Tag missmutig zu beginnen und ebenso zu beenden; dazwischen war er ungenießbar. Wenn Lorenzo seine Zuverlässigkeit in Gefahrensituationen nicht bekannt gewesen wäre und seine Kenntnisse in Wundheilung, hätte er sich gefragt, warum ihn die anderen Männer unter sich duldeten.
»Du musst es wissen, du hast es gekocht«, sagte Lorenzo und stützte sich auf Buonarottis Schulter, um aufzustehen. Er hätte die Stütze nicht gebraucht; Lorenzo Ghirardi war klein und sehnig und kannte die morgendliche Steifheit lediglich in ersten zarten Ansätzen; dennoch, die Zeit seiner Jugend lag hinter ihm. Definitiv, mein Held, dachte er und starrte wieder über die Ebene, durch die irgendwo weit entfernt im Norden der große Strom floss. Und hier ist der Ort, wo sie geblieben ist. Er klopfte Buonarotti auf den Rücken und trottete zu den Pferden hinüber. Er wusste es nicht, doch inmitten seiner Männer sah er aus wie ein magerer struppiger Wolf unter einer Horde von Wachhunden. Man sah sie an und wusste, sie konnten beißen; in Lorenzos Fall ahnte man, dass er beißen würde.
Nach der Morgenmahlzeit und nachdem sie das Feuer gelöscht und sich vergewissert hatten, dass keine Glut mehr darin war, stiegen sie auf ihre Pferde. Michèles Gaul zuckte beim ersten Schritt zusammen und lahmte dann gehorsam vorwärts. Lorenzo stieg ab und strich am Vorderbein des Pferds hinab; Pietro Trovatore gesellte sich zu ihm.
»Hat doch mehr abgekriegt, als es gestern den Anschein hatte«, brummte Lorenzo.
»Wird es gehen, capitano ?«, fragte Michèle vom Pferderücken herunter. Er hing blass und krank darauf und versuchte, den Anschein zu erwecken, dass er sich auf die Fortsetzung ihrer Mission freute.
»Wenn er noch mal in ein Loch tritt, ist es sein Ende«, sagte Lorenzo.
»Und wenn du noch mal runter und auf deine Fresse fällst, deines auch«, sagte Pietro und zwinkerte Michèle fröhlich zu.
»Ihr seid alle meine Zeugen«, begann Niccolò. »Ich stelle ausdrücklich fest, dass Michèle unsere Mission gefährdet und Ghirardi, indem er sich meinem Rat, Michèle zurückzulassen, beständig und beharrlich widersetzt, obwohl ich ihn mit allem Respekt geäußert habe …« Er stellte fest, dass er den Faden verloren hatte, und endete: »Jedenfalls rufe ich euch alle zu Zeugen an.«
»Steck dir ’ne Rübe in den Mund, Niccolò«, sagte Pietro. »Am besten so tief, dass sie sich mit der Rübe in deinem Arsch trifft.«
»Ich lasse mir deine Frechheiten nicht gefallen, Pietro!«
»O hab Gnade, um mich wär’s schade«, sang Pietro.
Im Regelfall arbeiteten Lorenzo und sein Truppführer nicht zusammen; war Lorenzo als Geleitschutz für eine der Handelskarawanen unterwegs, sicherte Niccolò Haus und Hof ihres Herrn Domenico Bianchi in Florenz; im umgekehrten Fall hätte Lorenzo den Besitz seines Herrn bewacht, nur dass es den umgekehrten Fall nicht gab, weil Domenico Bianchi senior allen Menschen auf der Welt misstraute außer seiner vor fünf Jahren verstorbenen Mutter und Lorenzo Ghirardi. Niccolò hätte er nicht einmal im Traum mit der Sicherung einer seiner wertvollen Karawanen betraut. Dass Niccolò diesmal mit von der Partie war, lag an Domenico Bianchi junior, der darauf bestanden hatte, seiner zukünftigen Gattin jeden nur möglichen Schutz auf der Reise nach Florenz angedeihen zu lassen, und nicht davon zu überzeugen gewesen war, dass es in diesem Fall
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