Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
fühlte aufs Neue den prüfenden Blick Cortos.
»Wir machen zuerst die fertig, die außerhalb der Hütten sind«, sagte Corto. »Die drinnen haben die Hosen um die Knöchel, und bis sie sie hochgezogen haben, müssen wir draußen aufgeräumt haben. Dann nehmen wir uns die Hütten vor. Alles klar?«
»Es waren einmal ein paar Arschlöcher, die sich wunderten, was plötzlich mit ihnen geschah«, sagte Enrico.
»Du musst uns meinen«, sagte Urso und grinste.
»Also gut, ihr Welpen«, sagte Corto, dann huschte er um die Ecke, und der Tanz begann.
Kapitel 17.
D as Innere des Trosswagens war stickig von verbrauchter Luft, ungewaschenen Kleidern und Hass. Alles zusammen machte Magdalena schwindlig und gereizt. Sie kauerte neben dem ältlichen Mann und versuchte zu ignorieren, dass der Körpergeruch, den er ausströmte, ebenso von Angst stank wie seine Signale, die in Magdalenas besonderem Sinn pulsten. Keiner hatte ihnen gesagt, warum sie gehalten hatten. Sie versuchte zu erspüren, ob der Mann, der Bruder Girolamo von der Straße getragen hatte, irgendwo in der Nähe war, doch sie war nicht sicher, ob ihre Begabung ihr nur einen Streich spielte oder ob er tatsächlich verschwunden war. Sie wusste nicht einmal seinen Namen.
»Clarice?«, flüsterte sie schließlich.
Die junge Frau, derentwegen Corto sie festhielt, reagierte nicht. Sie saß in der rechten vorderen Ecke des Trosswagens, umgeben von Vorratssäcken und Truhen und hielt alleine schon durch ihr abweisendes Gebaren Distanz zu allen anderen. Selbst die beiden übermütigen Jungen schienen es längst aufgegeben zu haben, sie anzusprechen oder Scherze mit ihr zu treiben.
Magdalena warf einen Seitenblick zu Schwester Radegundis und Schwester Immaculata. Immaculata starrte auf den Boden des Wagens, blass und mit hochgezogenen Schultern. Radegundis gab Magdalenas Blick gleichmütig zurück. Es fiel Magdalena zusehends schwerer, an die Novizin als Schwester Radegundis zu denken; das Gebaren einer Braut Christi schien mehr und mehr von ihr abzufallen, und die Isabella Datini, die darunter wieder zum Vorschein kam, war unberührt von Demut, Gehorsam und Duldsamkeit. Magdalena gab den Blick zurück, bis Isabellas Blicke zu der schweigsamen Gestalt in ihrer Ecke huschten, wieder zu Magdalena zurückkehrten und dann zu sagen schienen: Du hast zugelassen, dass wir in das hier hineingezogen wurden, und wofür? Für die Prinzessin auf der Erbse?
»Clarice?«
Clarice wandte langsam den Kopf und starrte Magdalena an. Auf ihre Weise war sie ebenso schwer zu lesen wie Äbtissin Giovanna oder wie Corto, doch Magdalena atmete scharf ein, als sie erkannte, dass das dunkle Wabern von Hass und Verachtung, das den Wagen durchpulste, von der zarten jungen Frau ausging.
»Der Mann mit dem struppigen schwarzen Haar und dem schönen Pferd … wie heißt er?«
»Wieso willst du das wissen?«, fragte Clarice nach einer Weile. Magdalena versuchte weder auf die respektlose Anrede noch auf den gereizten Unterton in Clarices Worten zu hören. Ihre eigene Gereiztheit ließ ihr Herz dennoch schneller schlagen.
»Er ist anders als die anderen«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Und doch …«
»Er ist neu.« Clarice wandte sich demonstrativ ab.
»Sein Name ist Lorenzo«, sagte der Mann an Magdalenas Seite. Er lächelte sie unsicher und diensteifrig an. »Lorenzo. Mehr weiß ich nicht, ehrwürdige Schwester. Die Madonna hat recht, er ist …«
»Ich habe einen Namen, Giallo«, schnappte Clarice. »Ich akzeptiere nicht, dass du mich so nennst.«
»Diese Banditen nennen Sie doch auch so«, erwiderte Giallo.
»Die winseln auch nicht bei jedem Wort, das sie sagen.«
»Ich winsle nicht. Aber ich bin schon viel länger ein Gefangener dieser Unmenschen als Sie, und daher …«
Clarice verzog das Gesicht und machte das Greinen eines Kindes nach: »Nähnähnäh …« Die Cantafini-Burschen kicherten. »Haltet die Klappe«, zischte Clarice.
»Mein Name ist Francesco Giallo«, sagte der Mann und hielt an seinem Lächeln fest. Magdalena hatte plötzlich den Eindruck, Francesco Giallo würde dieses Lächeln noch dem Henker schenken, der ihm den Strick um den Hals legte, und bis zuletzt hoffen, es möge ihm Gnade zuteil werden – oder wenigstens die Chance, den Henker in die Hand zu beißen, wenn dieser den Strick stramm zog. Sie war selbst überrascht über ihre Gedanken und schämte sich dafür.
»Gott sei mit dir«, sagte Magdalena.
Giallo nickte dankbar. Er musterte Magdalena verstohlen.
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