Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
stöhnte und winselte und nicht darauf achtete, dass er mit dem Gesicht über den Weg schrammte.
»Malocher …«, flüsterten Lorenzo und Corto gleichzeitig und sahen sich an.
»… Plünderer«, sagte Enrico zu Corto, und Lorenzo erkannte, dass er einen ganzen Teil von Enricos Worten nicht gehört hatte, weil das Entsetzen in ihm alle Geräusche übertönt hatte, die nicht aus dem Dorf und der Szene vor seinen Augen kamen. »Als sie das Feuer angezündet haben, bin ich gekommen, dich zu holen.«
»Das sind nicht die Einzigen«, wisperte Verruca.
»Wie viele sind es?«, fragte Corto, der Lorenzo immer noch Seitenblicke zuwarf.
Der gefesselte Mann auf dem Boden versuchte, vom Feuer davonzukriechen. Zwei der Landsknechte hinderten ihn daran, indem sie ihn mit einer zweizinkigen Holzgabel in Richtung der Flammen zurückstießen. Der dritte sah ihnen dabei zu und riss mit den Zähnen an etwas Essbarem, das er in einer Faust hielt. Mit der anderen Hand hatte er eine gespannte Armbrust in die Hüfte gestützt. Der Gefesselte rollte sich herum und versuchte, in einer anderen Richtung zu entkommen, und seine Peiniger lachten und sahen ihm zu und ließen ihn genau so weit entkommen, dass sie keine langen Schritte machen mussten, um ihn wieder mit der Gabel am Boden festzunageln und dann zurückzuschubsen. Der Atem des Gefesselten ging pfeifend, Blut lief ihm übers Gesicht. Das Feuer war noch jung und leckte an dem unordentlichen Haufen aus getrocknetem Torf, Schilf und Feuerholz, den jemand in der Mitte der Straße aufgehäuft hatte. Es war noch nicht kräftig genug und würde nie so groß werden, dass es einen Scheiterhaufen abgeben konnte, aber ein Mensch, der in den Flammen festgehalten wurde, würde sicherlich verbrennen – qualvoller, als wenn er auf einem Marktplatz dem Feuer übergeben würde. Der Gefesselte überschritt die unsichtbare Grenze, die Landsknechte setzten sich in Bewegung und schoben ihn wieder zurück. Der Gefesselte weinte jetzt.
»Zwanzig mindestens«, sagte Enrico. »Wir sind nicht sicher, ob wir alle gesehen haben.«
»Also rechnen wir mit mehr als zwanzig«, sagte Corto.
»Corto, was hast du vor?«, fragte Lorenzo.
Corto sah nicht Lorenzo an, sondern seine Männer, die in einer weit auseinandergezogenen Linie am Rand des Schilfdickichts lagen. Ihre Augen waren alle auf ihn gerichtet. »Wir machen sie fertig«, sagte Corto zu der Reihe von Männern.
»Wir sind acht gegen mindestens zwanzig!«, stieß Lorenzo hervor. »Auf jeden von uns kommen vielleicht drei Gegner. Was ist so besonders an diesem Dorf? Warum willst du das tun?«
Der Gefesselte rollte sich winselnd davon, in der Hoffnung, seinen Peinigern so entkommen zu können. Die Landsknechte verspotteten ihn und machten seine Geräusche nach. Derjenige mit der Armbrust warf seinen abgenagten Knochen ins Feuer. Die anderen beiden verstanden das als Zeichen. Sie stiegen über ihr Opfer hinweg und begannen nun ernsthaft damit, es zum Feuer zu schieben. Lorenzo sah ihrem Treiben zu und lauschte gleichzeitig dem Lärm, der von anderen Stellen des Dorfes kam: Gebrüll, Gelächter, Geräusche von zerbrechendem Eigentum, Schmerzensschreie. Eine Frau kreischte lang und anhaltend. Er lauschte seinen eigenen Worten nach. Warum willst du das tun? Eine Bande von Plünderern marodierte in einem Dorf friedlicher Bauern und Fischer, und er hatte das gefragt? Aber die Erinnerung war noch immer so stark, dass die Furcht größer war als das Mitleid, und der Wunsch, Augen und Ohren zu verschließen und davonzurennen, war stärker als der Drang, sich als Mensch zu erweisen und zu helfen. Sollte Corto, dieser Anführer von Strauchdieben und Straßenräubern, dieser Leitwolf, der die Landsknechtssprache mindestens genauso beherrschte wie Lorenzo, sich plötzlich als der bessere Mensch erweisen?
»Das ist mein Dorf«, sagte Corto. »Wir haben es vor ein paar Wochen ausgespäht. Es liegt wunderschön abseits. Der Plan war, mit den Gefangenen dort unterzutauchen, uns von Einwohnern versorgen zu lassen und so lange von der Straße zu verschwinden, bis alle Lösegelder eingetroffen wären.«
»Deine Melkkühe«, sagte Lorenzo.
»Natürlich. Und ich mag es nicht, wenn jemand anderer meine Milch klaut.« Corto grinste Lorenzo plötzlich an. »Außerdem war deine Rechnung falsch. Wir sind erst mal nur sechs gegen zwanzig. Giuglielmo wird zurücklaufen und die anderen holen, und du hast keine Waffen und bleibst hier.«
Giuglielmo schob sich ohne weitere Worte
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