Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
wäre, dachte er grimmig und lenkte sich kurzzeitig mit der Vorstellung ab, wie er seinem Bruder den Hals umdrehen würde, sobald er ihn jemals wieder in seine Finger bekam. Er hatte ihn an Bord zurückgelassen und selbst die Leute angeführt, die mit den Booten zu dem schwer angeschlagenen britischen Linienschiff hinübergerudert waren, um die noch überlebenden Matrosen gefangen zu nehmen, bevor das Schiff versenkt werden sollte. Kaum an Bord hatte er jedoch mitansehen müssen, wie seine Fregatte wendete, alle Segel setzte und Kurs aufs offene Meer nahm.
Zuerst hatte er kaum fassen können, was er da sah, aber dann war ihm klar geworden, dass sein nichtsnutziger Bruder, den er nur an Bord genommen hatte, damit er an Land keinen Unfug anstellte, die Leute zur Meuterei bestochen haben musste. Jene, die nicht willens gewesen waren, sich an diesem Verrat zu beteiligen, wurden von den Meuterern entweder getötet oder über Bord gestoßen. Darunter war auch Finnegan gewesen, der sich einer Übermacht aus den eigenen Reihen gegenübergesehen hatte. Ein hinzukommendes englisches Kriegsschiff hatte die Leute dann aus dem Meer gefischt. Man war dabei nicht eben sanft mit ihnen umgegangen, und Finnegans schon fast verheilte Verletzung war wieder aufgebrochen. Robert selbst war mit einem Schlag auf den Kopf und einer hässlichen Platzwunde davongekommen, die fast bis zur linken Schläfe ging. Ein etwas weniger harter Schädel als der seine wäre bei der Wucht, mit der der englische Soldat sein Gewehr als Prügel gebraucht hatte, wohl zertrümmert worden, aber er war nur bewusstlos zu Boden gegangen und hatte später mit Genugtuung erfahren, dass sein Bootsführer Smithy den Soldaten mit einem Säbelstreich halbiert hatte.
Robert warf wieder einen Blick auf seinen Freund, dem jeder weitere Schritt sichtlich schwerfiel, und fasste geistesgegenwärtig zu, als Finnegan stolperte. Solange er auf den Beinen blieb, bestand noch Hoffnung, aber wenn er einmal fiel, hatte er kaum eine Chance, wieder auf die Füße zu kommen.
»Sie sollten sich nicht mit mir abschleppen, Captain«, sagte er mit heiserer Stimme, als Robert ihn unter den Armen packte und mehr trug als führte. »Lassen Sie mich liegen, ich kann ohnehin nicht mehr lange weiter.« Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, seine Augen glänzten fiebrig, und seine Lippen waren aufgesprungen und blutig.
Robert unterdrückte den saftigen Fluch, der ihm auf der Zunge lag. »Reden Sie keinen Unsinn, Finn«, erwiderte er gereizt. »Sie werden das durchstehen und mit mir die Independence zurückholen. Und dann dabei zusehen, wie ich Malcolm auf die höchste Rah knüpfen lasse.«
»Eine verlockende Vorstellung«, brachte Finnegan mühsam hervor.
»Außerdem kann es nicht mehr lange dauern, bis wir ankommen. Sie müssen nur noch ein bisschen durchhalten, dann sind wir in Dover. Dort können Sie sich ausruhen und darauf warten, dass wir ausgetauscht werden. Ich könnte schwören, dass unsere Leute auch einen Wundarzt haben, der sich um Sie kümmern wird.«
Finnegan nickte nur, gab sich einen Ruck und stolperte weiter. Es war schon kühl in diesen nebligen Breiten um diese Jahreszeit. Zu allem Überfluss hatte vor einer Weile ein heftiger Regen eingesetzt, und sämtliche Gefangenen, die kaum mehr als Fetzen am Leib trugen, waren bereits bis auf die Haut durchnässt. Ganz schlecht für Finnegans Fieber.
Nicht mehr lange, dachte Robert, während er seine eigenen letzten Kräfte mobilisierte, um seinen Freund mitzuschleppen, dann erreichen wir die Stadt. Ich kann schon förmlich das Meer riechen. In Dover angekommen konnten sie rasten und auf die Leute warten, die die Übergabe durchführen sollten. Er hatte zufällig gehört, wie sich zwei der Wachsoldaten unterhalten hatten, und wusste, dass Benjamin Franklin, der die neu gegründeten Vereinigten Staaten in Frankreich vertrat, alles in Bewegung setzte, um auf diese Weise wenigstens einige der amerikanischen Seeleute wieder freizubekommen. Er und seine Mannschaft hatten Glück gehabt.
Die Männer wichen auf dem schmalen Pfad aus, als einige Reiter in der Uniform Seiner Majestät des Königs von England herangaloppiert kamen. Der Einzige, der nicht zu den Soldaten zu gehören schien, ein großer Mann auf einem dampfenden schwarzen Wallach, brachte sein Pferd genau vor Robert und Finnegan zum Stehen. »Robert? Robert McRawley?« Er klang überrascht und erfreut zugleich. Robert blickte dem Mann, der in einen dicken Mantel gehüllt
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