Die Braut des Herzogs (German Edition)
dieser energischen Rede. Was für eine seltsame Frau diese Miss Redbridge doch war. Sein erster Eindruck war gewesen, es mit einer uneleganten alten Jungfer zu tun zu haben, die nie und nimmer zu seinem vornehmen Herrn passen konnte. Doch dann war er fasziniert von ihren blitzendenblauen Augen und von ihrer freien Redensweise. Sie unterhielt sich mit ihm in dieser delikaten Angelegenheit ohne jede Scheu oder Nervosität. Wirklich eine ungewöhnliche Frau.
»Übrigens«, fuhr Olivia nun fort, »da fällt mir etwas ein. Wann gedenken Sie denn nach London zurückzureiten, Mr. Bactexter?«
Der Sekretär erklärte, daß er in einem Gasthof in der Nähe des Gutes übernachten wolle, um am nächsten Tag zeitig am Morgen die Heimreise anzutreten.
Da überraschte ihn Olivia mit der Bitte, ihre Kutsche zu begleiten. »Denn wissen Sie, ich werde nur zusammen mit meiner Zofe unterwegs sein. Papa wäre sicherlich beruhigter, wenn wir männlichen Begleitschutz hätten.«
»Sie fahren nach London?« vergewisserte sich der Sekretär voller Entsetzen. Er wußte, daß das nicht im geringsten den Wünschen seines Herrn entsprach.
»Ja, ich gedenke mich den Strapazen der Saison auszusetzen«, antwortete sie ihm mit seinen eigenen Worten. Das schockierte Gesicht ihres Gegenübers war ihr nicht entgangen. »Meine Tante Lady Darlington war so freundlich, mich zu sich einzuladen«, fügte sie deshalb erklärend hinzu.
In diesem Augenblick ging die Türe auf, und Lord Redbridge betrat den Raum. Er schien bereits darüber informiert zu sein, daß statt des erwarteten Herzogs nur dessen Sekretär gekommen war, denn er begrüßte diesen ohne sichdiche Überraschung.
»Nun?« fragte er und ließ einen prüfenden Blick zwischen seiner Tochter und dem Sekretär hin und her gleiten.
»Seine Gnaden ist in London gesellschaftlich unabkömmlich«, erzählte ihm Olivia, bevor Bactexter zu einer langwierigen Erklärung ansetzen konnte. »Und er war so freundlich, an seiner Stelle Mr. Bactexter zu schicken, Papa. Da ich morgen ohnehin in die Hauptstadt reise, werde ich Seine Gnaden bald persönlich kennenlernen. Dann werde ich die Möglichkeit haben, meine endgültige Entscheidung zu treffen.«
Seine Lordschaft, daran gewöhnt, die Anschauungen seinerältesten Tochter zu respektieren, nickte zustimmend und meinte, diese Vorgehensweise erschiene ihm als durchaus vernünftig.
Bactexter betrachtete den Herrn des Hauses ebenso ungläubig, wie er zuvor dessen Tochter betrachtet hatte. Es schien ihm so unglaublich, daß er davonkommen sollte, ohne gescholten zu werden.
»Und übrigens«, fügte Miss Redbridge hinzu. »Mr. Bactexter hat sich bereiterklärt, meine Kutsche bis zu Tante Mables Haus zu begleiten. Es besteht daher keine Notwendigkeit mehr, daß du John Pilgrim mit uns fahren läßt …«
»Du wirst Johns Dienste in London gut gebrauchen können«, widersprach der Vater. »Er hat viele Jahre bei einem Herrn in der Hauptstadt gedient und verfügt über ausgezeichnete Ortskenntnisse. Es besteht kein Grund, warum du auf ihn verzichten sollst. Und bei deiner Tante ist Platz genug für einen Stallburschen. Dennoch danke ich Ihnen, Mr. Bactexter, daß Sie meine Tochter begleiten wollen. Es ist mir eine große Beruhigung.«
Mit diesen Worten hatte er sich dem Sekretär zugewandt, um ihm dankbar die Hand zu schütteln. »Und nun«, setzte er fort, »ist es Zeit für das Abendessen. Sie sind selbstverständlich unser Gast.«
»Zu freundlich«, stammelte Bactexter verlegen, »aber ich bin in Reitkleidung und habe nichts Geeignetes mitgebracht …«
»Das macht doch nichts, mein Junge«, antwortete Seine Lordschaft gutmütig, »wir alle werden beim Dinner auf Abendkleidung verzichten, so müssen Sie sich nicht unwohl fühlen.«
Er läutete nach dem Butler. »Skipton wird Sie in eines der Gästezimmer führen, damit Sie sich frisch machen können. Wir erwarten Sie in einer halben Stunde, wenn es Ihnen recht ist.«
Bactexter blieb nichts anderes übrig, als sich für die Freundlichkeit zu bedanken und dem Butler in die Halle zu folgen.
Nach dem Abendessen, als sich der unerwartete Gast verabschiedet hatte, um sein Quartier in einem der nahegelegenen Gasthöfe zu beziehen, bat Lady Marilla ihre Stieftochter zueiner Unterredung in ihr Schlafzimmer. Es war dieser aufgefallen, daß ihre Stiefmütter den ganzen Abend ungewöhnlich schweigsam gewesen war. Sie hatte mit zerstreuter Miene am Dinner teilgenommen und nur ab und zu mit einer Bemerkung zum
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