Die Braut des Herzogs (German Edition)
allgemeinen Gespräch beigetragen.
In ihrem Schlatzimmer angekommen, entließ sie als erstes ihre Kammerfrau, die gewartet hatte, um ihr beim Entkleiden zu helfen. Dann bat sie Olivia, auf einem der zierlichen Fauteuils Platz zu nehmen.
»Erscheint dir auch alles sehr seltsam?« fragte diese, als sie der Aufforderung nachkam. »Wichtige gesellschaftliche Verpflichtungen haben ihn in London aufgehalten!« Sie betonte das Wort »wichtig«, um deutlich zu machen, wie sehr sie diese banale Entschuldigung anzweifelte. »Was werden das wohl für Verpflichtungen sein, die ihn davon abhalten konnten, eine derartige Verabredung wahrzunehmen?«
Sie verstummte, als sie bemerkte, daß ihre Stiefmutter händeringend und mit nervösen, kleinen Schritten begonnen hatte, im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Da ist doch noch etwas anderes, das dich beunruhigt, Marilla, nicht wahr?« fragte sie geradeheraus.
»Ich überlegte nur zum wiederholten Male, was Julian veranlaßt haben könnte, dir diesen Antrag zu machen. Kannst du ihn nicht doch in Bath getroffen haben? Oder anläßlich deines Aufenthalts in London? Vielleicht hat er dich nur ganz kurz gesehen, war verzaubert, konnte dich nicht vergessen und …«
»Unsinn!« rief ihre Stieftochter energisch, wenn auch belustigt dazwischen. »Schluß mit den romantischen Träumereien. Wenn du mich bei meinem Debüt gesehen hättest, dann wüßtest du, was für eine schüchterne, linkische Person ich gewesen bin. Damals habe ich keinen Mann verzaubert. Schon gar nicht einen Herzog von Wellbrooks. Und überdies wären wir uns sicher vorgestellt worden.«
»Vielleicht seid ihr es ja. Damals war er noch nicht Herzog, da sein Vater noch lebte. Er war Sir Julian Romsey«, gab ihre Stiefmutter zu bedenken.
»Trotzdem. Ich kenne ihn nicht. Vermutlich war er damals nicht in der Hauptstadt.« Dann setzte sie interessiert hinzu: »Wie kommt es, daß du den Herzog ›Julian‹ nennst?«
»Oh, sagte ich Julian?« erkundigte sich Marilla verlegen.
»Du kennst ihn besser, als du zugeben willst, nicht wahr?« stellte Olivia fest. »Was ist eigentlich los? Ich kann mir nicht vorstellen, daß es alleine am Antrag des Herzogs liegt, daß du dich heute beim Dinner so schweigsam verhalten hast. Und daß du nun ohne Unterbrechung vor mir auf und ab marschierst.« Sie brach ab und hatte plötzlich einen schrecklichen Verdacht: »Ist er etwa geisteskrank?«
Marilla blieb abrupt stehen, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen: »Geisteskrank?« rief sie aus. »Wie um alles in der Welt kommst du denn auf diese abwegige Idee?«
»Ist sie denn wirklich abwegig? Zuerst bekomme ich einen Antrag von einem Gentleman, den ich noch nie gesehen habe, dann erscheint sein Sekretär und läßt seinen Herrn unter fadenscheinigen Vorwänden entschuldigen, und dann versetzt dich, die du als einzige von uns den Herzog persönlich kennst, diese Angelegenheit in besondere Aufregung …« Sie machte eine mutlose Handbewegung. »Weißt du, am liebsten würde ich den Antrag rundweg ablehnen. Du glaubst gar nicht, wie heilsam das für meinen Seelenfrieden wäre. Ich könnte mein gewohnt ruhiges Leben …«
»Ablehnen!« rief Marilla entsetzt. »Die Chance deines Lebens in den Wind schlagen? Nur um hier im Versteckten ein ruhiges, ereignisloses Leben zu führen? Nein, meine Liebe, da habe ich ganz andere Pläne für dich!«
Sie ging auf ihre Stieftochter zu, die mit Verwunderung feststellte, wie lebhaft ihre Stiefmutter mit einem Schlag geworden war.
»Ja, denkst du denn, ein Leben hier auf dem Lande oder Rande der Londoner Gesellschaft wäre auf die Dauer etwas für dich? Wenn du deinen Aufenthalt in der Hauptstadt wirklich genießen willst, dann mußt du Aufsehen erregen! Kein Wort mehr über die Idee, ein ruhiges Leben führen zu wollen. Ich bin sicher,deine Tante wird dich gern zu allen Abendveranstaltungen mitnehmen, die sie besucht. Du wirst zu Bällen eingeladen werden, zu Routs und Dinners, Theatervorstellungen und Opernaufführungen besuchen. Dazu benötigst du natürlich eine neue Garderobe und eine modische Frisur. Du hast faszinierende Augen und ein bezaubernd freimütiges Wesen. Wenn dazu noch durchdringt, daß die begehrteste Partie am Heiratsmarkt, und das ist Wellbrooks nun einmal, auch wenn es dir schwerfällt, das zu glauben, zu deinen Bewunderern zählt, dann …« Sie hielt inne, um nach den richtigen Worten zu suchen, und rief schließlich, die Hände über den Kopf erhoben: »… dann wirst du in der
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