Die Braut des Herzogs (German Edition)
noch am Leben ist und daß es ihm gutgeht. Denn seine Freunde würden es doch nicht zulassen, daß er in einer ausweglosen Lage leben muß. Und sie hätten mir doch mitgeteilt, wenn ihm etwas zugestoßen wäre, nicht wahr?« Marilla schluchzte und vergrub ihr Gesicht im Taschentuch.
»Aber natürlich hätten sie das«, sagte Olivia sanft und legte ihrer Stiefmutter beruhigend die Hand auf die Schulter. »Ich bin sicher, daß deinem Sohn nichts passiert ist. Schließlich war er doch bereits ein erwachsener Mann, als er fortging. Sicher ist er in der Lage, die Schwierigkeiten zu meistern, in die er sich selbst gebracht hat. Aber nun sag’, wer sind die beiden Freunde? Kenne ich sie?«
»Der eine ist Andrew Mattley, der nunmehrige Earl of MacAlister«, erklärte Marilla, »und der zweite ist Julian Romsey, der Herzog von Wellbrooks.«
»Nein!« rief Olivia aus. »Tatsächlich?« Und dann kam ihr ein Verdacht: »Du steckst doch nicht etwa hinter dem Antrag des Herzogs, nicht wahr Marilla?«
»Um Gottes willen!« wies Marilla dieses Ansinnen von sich. »Ich habe Julian seit gut zwei Jahren nicht mehr gesprochen. Nein, glaube mir, ich habe wirklich keine Ahnung, warum er um dich angehalten hat. Aber es wäre gelogen, wenn ich diesen Antrag nicht für einen Wink des Schicksals ansehen würde.«
»Für einen Wink des Schicksals?« wiederholte Olivia verständnislos, »aber warum denn?«
»Olivia, du mußt mir helfen.« Marilla umfaßte leidenschaftlich ihre Handgelenke. »Gehe nach London und bringe in Erfahrung, wo sich mein Sohn aufhält. Ob es ihm gutgeht oder ob er Hilfe braucht.«
Olivia blickte sie entgeistert an: »Wie stellst du dir das vor?« fragte sie ziemlich hilflos. »Natürlich würde ich dir gerne helfen. Doch wie könnte ich das anstellen? Ich kann kaum die ganze Stadt nach einem Mann absuchen, den ich noch nie gesehen habe, nicht wahr?«
»Natürlich nicht«, entgegnete ihre Stiefmutter ungeduldig. »Der einzig mögliche Weg, etwas herauszufinden, führt über Mats Freunde. Mir wollten sie keine Auskunft geben. Vermutlich können sie mir aus Solidarität zu Matthew mein Verhalten ebensowenig verzeihen, wie dies mein Sohn kann. Doch, wenn Wellbrooks auch mir gegenüber verschlossen blieb, seine Frau, oder auch seine Verlobte, müßte Mittel und Wege finden, das Nötige in Erfahrung zu bringen.«
Olivia erwog diesen Gedanken: »Ja, das scheint mir möglich«, gab sie zu. »Doch der Herzog hat ohnehin bereits um meine Hand angehalten. Warum ist es dann noch nötig, daß ich ›wie ein Blitz in der Gesellschaft einschlage‹, wie du es ausgedrückt hast?«
»Aber natürlich ist es nötig!« rief Marilla und vermittelte den Eindruck, als hätte sie am liebsten mit dem Fuß aufgestampft über soviel Unverstand. Ihre Niedergeschlagenheit war wie weggeblasen. Ihr Temperament hatte aufgrund der erfreulichenPläne, die sie für ihre Stieftochter hegte, wieder die Oberhand gewonnen.
»Denkst du denn, ein Mann gibt einer Frau auch nur irgendein Geheimnis preis, wenn er sie allein aus Vemunftgründen geheiratet hat? Nein. Er muß von dir fasziniert sein, nur dann wird er uns weiterhelfen. Es ist doch nichts Neues, daß Männer einer schönen Frau jeden Wunsch erfüllen, nicht wahr? Also wirst du eine schöne Frau sein, Olivia.«
Sie trat an ihre Stieftochter heran, um ihr beide Hände auf die Schultern zu legen und ihr ermunternd zuzulächeln: »Ich möchte dir deshalb einen Handel vorschlagen. Du wirst für deine Saison eine neue Ausstattung brauchen: etliche Tageskleider aus feinem Musselin, Abendkleider aus Atlas, Seide und Krepp, Hüte, Handschuhe, Spitzenunterwäsche, passende Schuhe und all die anderen Kleinigkeiten, ohne die eine Dame der ersten Gesellschaft einfach nicht auskommt: Retiküls, Schirmchen, Bänder, Fächer … Meine Liebe, laß das alles mein Anteil an unserer Abmachung sein.«
»Dein Anteil?« wiederholte Olivia und wollte ihren Ohren nicht trauen. »Aber ich hatte vor, mir ein paar Kleider von dem Geld zu kaufen, das mir Mama hinterlassen hat«, wandte sie ein.
Marilla tätschelte freundlich ihre Hand: »Dieses Geld wirst du notwendig für die laufenden Ausgaben benötigen«, erklärte sie weise. »Du wirst Trinkgelder geben müssen, die Droschken bezahlen. Du wirst, wie ich dich kenne, bei Hatchard unzählige Bücher bestellen. Obwohl du kaum Zeit zum Lesen haben wirst, wenn man die Hektik bedenkt, die während der Saison in London herrscht. Na, und dann gibt es noch viel
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