Die Braut des Herzogs (German Edition)
wieder ins Freie traten. Olivia mußte schuldbewußt feststellen, daß sie sich erheblich zum Lunch verspäten würde, und sie bat Charles, sie unverzüglich zum Hause ihrer Tante zurückzubringen.
Beide Herren begleiteten sie zum Grosvenor Square und fuhren dann weiter zu White’s, um dort in unbekannter Einigkeit einen kleinen Imbiß einzunehmen. Die anwesenden Bekannten, die wußten, daß die beiden Cousins im allgemeinen wenig freundliche Gefühle füreinander hegten, wurden in Erstaunen versetzt.
Wenn der Herzog auch den spontanen Entschluß, mit seinem Vetter zu lunchen, nicht wirklich bereute, so langweilten ihn dessen Ausführungen nun doch. Charles, ermutigt von seinem Erfolg am Vormittag, konnte nicht aufhören, weitere Informationen zu den besuchten Gräbern zu erteilen.
Das Interesse, das Wellbrooks an Ort und Stelle und in Begleitung von Miss Redbridge empfunden hatte, war nun beträchtlich abgekühlt. Mit gelangweilter Miene verzehrte er schweigend sein Mittagessen. Daraufhin verabschiedete er sich abrupt und machte sich zu Fuß auf den Weg zu seinem Haus.
Er wurde vom Butler eingelassen, der ihm Hut und Handschuhe abnahm und dann mit gesenkter Stimme geheimnisvoll verkündete: »Ein Herr wartet auf Sie in der Bibliothek, Euer Gnaden.«
Der Herzog hob überrascht seine Augenbrauen: »Wer ist der Herr?« erkundigte er sich, wobei er das Wort »Herr« ebenso betonte, wie dies der Butler getan hatte. Dieser reichte ihm wortlos ein Silbertablett, auf dem eine goldgeränderte Visitenkarte lag. Darauf stand mit schwungvollen Lettern: »M. Henry Liber-tieu«.
»Ein Franzose?« fragte der Herzog.
»Es scheint so, Euer Gnaden«, bestätigte der Butler.
Wellbrooks fixierte ihn kurz. Irgend etwas an seinem Gesicht erschien ihm verdächtig. Außerdem warteten Fremde üblicherweise in einem kleinen Salon im Halbstock.
»In der Bibliothek, sagtest du?« vergewisserte er sich.
Als der Butler dies bestätigte, begab er sich schnurstracks dorthin. Er öffnete die Tür und sah einen mittelgroßen Herrn mit blonden Locken, der gedankenversunken aus dem Fenster blickte. Seine Kleidung war, obwohl nur von hinten zu sehen, die eines modischen Dandys. Hautenge Pantalons, Hessenstiefel mit breiter, weißer Stulpe und Quasten. Der Rock stark tailliert, an den Schultern sehr stark ausgepolstert.
Der Herzog war kein Freund dieser modischen Gecken.
Irgend etwas an der Haltung des Fremden schien ihm jedoch vage vertraut.
»Sie wollten mich sprechen, Sir?« sprach er ihn an.
Der Fremde drehte sich langsam um, und der Herzog blickte mit großer Überraschung in bekannte Gesichtszüge.
»Mat!« rief er in freudigem Erstaunen und eilte näher, um seinen Freund willkommen zu heißen.
»Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Julian, alter Junge!« sagte Matthew Laurent, während er mit dem Herzog einen kräftigen Händedruck tauschte, der sein stutzerhaftes Äußeres Lügen strafte.
»Ist diese Verkleidung die neueste Mode bei euch?« wollte der Herzog wissen.
Mat grinste ungeniert: »Hübsch, nicht? Ich hätte mir trotzdem denken können, daß du mich gleich erkennen wirst. Dein Butler hat das übrigens auch.«
»Das erklärt sein geheimnisvolles Gehabe«, stellte Wellbrooks trocken fest.
Der Besucher blickte sich um und fragte, ob sie wirklich ungestört waren. Auf die Versicherung des Herzogs, daß Hindley die Anweisung habe, niemanden in die Bibliothek einzulassen, zog sein Freund die blonde Perücke mit gekonntem Griff vom Kopf, und seine kurzgeschnittenen, schwarzen Locken kamen zum Vorschein. Den blonden Backen- und Schnurrbart zu beseitigen, war schon eine schwierigere Angelegenheit.
Bald jedoch vermittelte er wieder den Eindruck eines »griechischen Gottes mit klassischen Gesichtszügen«, wie es Lady Jersey vor Jahren einmal treffend formuliert hatte. Nur die gebleichtenAugenbrauen wollten nicht so recht in dieses perfekte Bild passen.
»Sherry?« fragte der Herzog, sich zu einem Beistelltischchen wendend, auf dem einige Glaskaraffen bereitstanden. Sein Gast nahm gerne an.
»Möchtest du auch etwas zu essen?«
»Danke, ich habe im Hotel einen kleinen Imbiß zu mir genommen. Ich bin im Grillon abgestiegen. Ganz nobel Obwohl ich viel lieber mein Haus in der Mount Street aufgesucht hätte. Aber das ist natürlich unmöglich in meiner derzeitigen Rolle. Das erinnert mich daran: Ist meine Mutter in London?«
Als der Herzog verneinte, atmete Mat befreit auf: »Dem Himmel sei Dank! Sie würde mich sicher in
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