Die Braut des Herzogs (German Edition)
Haus?«
»Die Sonne, mein lieber Charles«, erklärte der Herzog freundlich und blickte Olivia ins Gesicht. »Ihr Diener, Miss Redbridge.«
Charles beäugte skeptisch den Himmel und sagte dann: »Ich hätte nie gedacht, daß du dich auch nur einen Deut um die Sonne kümmerst.«
»Aber du irrst dich, mein Guter«, antwortete Wellbrooks mit verstecktem Lächeln, »mir kommt es vor, als sei meine Sonne heute noch strahlender und beglückender als je zuvor.«
Seine Lordschaft hatte, da er nun endgültig den Wagen bestieg, nicht auf den Blick geachtet, den der Herzog Olivia zugeworfen hatte. Es war ihm infolgedessen entgangen, daß Olivia leicht errötete und, weit davon entfernt, die Augen sittsam niederzuschlagen, Seiner Gnaden ein glückliches Lächeln schenkte. Sie hatte sehr gut verstanden, wer heute seine Sonne war.
»Wohin des Wegs, Cousin?« wollte Wellbrooks wissen. Er zeigte auf das Fahrzeug: »Eine größere Ausfahrt, nehme ich an.«
»Miss Redbridge und ich werden die Westminster Abbey besuchen«, erklärte Linham. »Da ich Miss Redbridge viele Einzelheiten genau erklären möchte, steht uns ein umfangreiches Programm bevor. Wenn du uns also entschuldigen würdest Ich möchte die Pferde nicht länger warten lassen.«
Der Herzog machte, trotz dieser eindeutigen Aufforderung, keine Anstalten, vom Wagen zurückzutreten.
»Kein Grund, die Pferde länger stehenzulassen. Gerade heute habe ich Lust bekommen, auch die Westminster Abbey zu besuchen. Du gestattest doch, daß ich euch begleite?« Ohne eine Antwort abzuwarten, bestieg er den Landauer und nahm Olivia gegenüber, mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, Platz. Lord Linham konnte sich nur verwünschen, daß er nicht in seinem zweisitzigen Sportwagen vorgefahren war, der es dem Herzog unmöglich gemacht hätte, sich ihnen anzuschließen.
Der Kutscher nahm seinen Platz ein, und die Pferde setzten sich in Bewegimg.
»Mach doch nicht so ein mißmutiges Gesicht«, sagte der Herzog an seinen Cousin gewandt. »Nimm mich einfach als Anstandsperson. Es ist ja wirklich nicht das Wahre, wenn ein Jüngling wie du alleine mit einer jungen Dame eine Ausfahrt unternimmt.«
»In einem offenen Wagen, in Begleitung eines Kutschers und eines Grooms?« entgegnete Seine Lordschaft entrüstet, ohne auf den scherzhaften Ton des anderen einzugehen: »Das kann auch Menschen mit den strengsten Moralvorstellungen nicht vor den Kopf stoßen! Du kannst es mir glauben, Vetter, mein Anstandsgefühl ist sehr stark ausgeprägt Ich pflege nicht die lockeren Sitten, denen du dich für gewöhnlich ergibst!«
In den Augen des Herzogs blitzte es amüsiert auf: »Welche lockeren Sitten meinst du wohl?«
»Ich werde mich hüten, in Gegenwart einer Dame aus der Schule zu plaudern«, sagte Linham steif.
Er wandte sich Olivia zu und wechselte ostentativ dasThema: »Ich habe eine ganze Anzahl bedeutender Werke, die die Einzelheiten der Abtei genauestens schildern, mitgebracht.« Er wies auf einen Stapel Bücher, die neben ihm auf dem Lederpolster lagen.
»Ich habe alle durchstudiert und das Wichtigste unterstrichen, um Sie umfassend informieren zu können.«
»Westminster Abbey«, meldete sich der Herzog wieder zu Wort. »Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letztemal in dieser Kirche war. Es muß gewesen sein, als uns dein Vater dorthin führte, weißt du noch, Charles? Das muß jetzt achtzehn oder zwanzig Jahre her sein. Wir waren noch Buben. Ich erinnere mich, daß wir Stunden, zumindest schien es mir damals, es wären Stunden gewesen, vor den einzelnen Grabmälem gestanden sind. Dein Vater wußte über jede Einzelheit Bescheid und versuchte, alle lateinischen Inschriften zu übersetzen. Ich bin sicher, du hast dich ebensogut vorbereitet, habe ich recht?«
»Falls dir ein Kirchenbesuch derart langweilig erscheint, brauchst du uns ja nicht zu begleiten«, entgegnete Charles patzig.
»Aber im Gegenteil, mein Guter. Ich brenne darauf, meine Bekanntschaft mit den königlichen Toten zu erneuern.«
Dieser pietätlose Ausspruch war keiner Erwiderung würdig.
Charles, dem klargeworden war, daß sich sein unwillkommener Vetter durch nichts würde abschütteln lassen, beschloß, eifersüchtig über Olivia zu wachen. Gleichzeitig konnte er aber auch das Gefühl einer gewissen Befriedigung nicht verleugnen, einen weiteren Zuhörer für seine Ausführungen gefunden zu haben. Er, der unscheinbare Cousin des großen Wellbrooks, der diesem in allen gesellschaftlichen Tugenden und
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