Die Braut des Kreuzfahrers
würde Akkon früher oder später in die Hände der Christen geben.
» Im Grunde brauchen wir nur abzuwarten « , meinte Yolanda mit vielsagendem Grinsen. » Die Zeit arbeitet für uns. «
Die Magd hatte ihnen das Morgenmahl ins Zelt gebracht, doch Tiessa quoll der Bissen im Mund, wenn sie an die Menschen in der Stadt dachte. Gewiss trug man die letzten Vorräte zu Saladins Kämpfern, die die Stadt verteidigten, ließ Alte, Frauen und Kinder hungern, um nur die Krieger bei Kräften zu halten. Wieviel klüger wäre es doch, die Stadt friedlich zu übergeben, ein Abkommen auszuhandeln, das den Einwohnern Schonung und Schutz gewährte, und die Tore den christlichen Rittern zu öffnen. Akkon würde fallen, wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Die Stadt würde fallen, weil Gott sie in die Hände der Christenheit geben wollte.
» Was ist los mit dir, Tiessa? Schmeckt dir der Brei nicht? Es sind Kichererbsen darin und sogar Bohnen. «
Beatrice lächelte ihr aufmunternd zu und tippte mit dem Finger an den Rand von Tiessas Holzteller. Tiessa gab das Lächeln höflich zurück und tauchte den Löffel ein, um Beatrice nicht zu verletzen. Es war rührend, wie sehr die beiden adeligen Frauen um sie besorgt waren, Beatrice war ihr fast eine Schwester und Yolanda eine gestrenge Mutter. Im heimatlichen Perche wäre eine solche Nähe nicht möglich gewesen, eine Adlige hätte zu der Tochter eines Ministerialen niemals ein solch vertrautes Verhältnis haben können. Aber hier im Heiligen Land litt man unter den gleichen Entbehrungen und Gefahren, für die Zeit der Pilgerschaft schmolzen die Standesunterschiede dahin.
» Es ist wenig ritterlich, darauf zu warten, dass der Hunger die Arbeit des Kämpfers tut « , bemerkte Yolanda und rümpfte die Nase. » Wozu haben sie nun all die Katapulte aufgebaut? Die Gräben ausgehoben? Den Belagerungsturm wieder instand gesetzt, nachdem die Heiden ihn mit dem bengalischen Feuer angezündet hatten? «
» Gewiss « , pflichtete Beatrice bei. » Viel ruhmreicher wäre es, wenn unsere Ritter die Mauern erstürmten. Ach, ich kann es kaum erwarten, die Standarten unserer christlichen Herrscher dort oben auf den Zinnen zu erblicken. «
» Diese albernen Streithähne! « , platzte Yolanda dazwischen. » Saladin reibt sich ganz sicher vor Freude die Hände, weil die Christenherrscher lieber schmollen und sich gegenseitig ausspielen, als gemeinsam gegen ihn zu kämpfen! «
» Aber Yolanda … «
Tiessa schwieg zu diesem Gespräch, doch im Grunde musste sie ihrer Herrin recht geben. Es war im höchsten Grade lächerlich, wie die beiden Könige sich gegenseitig belauerten. Als Richard Löwenherz zu krank war, um seine angevinischen Ritter anzuführen, verbot er seinen Kämpfern, sich dem Angriff des französischen Königs anzuschließen. Mit Erleichterung nahm er zur Kenntnis, dass Philipps Attacke erfolglos blieb – hatte er doch fürchten müssen, Sieg, Ehre und Beute an den Franzosen zu verlieren. Als Richard Löwenherz wiederhergestellt war und seinerseits einen Versuch machte, eine Bresche in die Mauer der Stadt zu schlagen, versagte ihm Philipp die Unterstützung und sah vom Lager aus zu, wie der englische König trotz aller Bemühungen scheiterte. Hätten sich die beiden Könige zusammengetan – die Stadt wäre längst in der Hand der Christen gewesen.
Die Magd Marie schob die Zeltbahn beiseite und lugte zu ihnen hinein. Sie war eine stämmige, ältere Frau und hatte bisher als Wäscherin für einige der Ritter aus dem Perche gearbeitet. Vor einigen Tagen hatte Beatrice sie anstelle der unzuverlässigen jungen Person eingestellt, die nun drüben bei den burgundischen Frauen ihren Dienst tat.
» Es ist Zeit, Herrin « , meldete Marie, an Yolanda gewandt. » Sie haben sich schon versammelt. «
Es war kein schöner Anlass, zu dem sie gerufen wurden, dennoch war Tiessa froh, von dem klebrigen Morgenbrei erlöst zu werden. Die Frauen erhoben sich und legten trotz der Julihitze Mäntel über ihre Gewänder. Beatrice zog sich den Schleier tief ins Gesicht, denn ihre Haut rötete sich und bekam sogar Blasen, sobald sie von der heißen Sonne beschienen wurde.
Man folgte den Rittern, die sich in langsamem Zug zum Lagertor bewegten, um dort den toten Leib des Grafen von Perche auf dem Friedhof der fremden Erde zu übergeben. Rotrou war von mehreren Pfeilen getroffen worden, und obgleich man ihn zunächst für tot hielt, war noch ein Fünkchen Leben in ihm gewesen, als man ihn zurück ins
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