Die Braut des Kreuzfahrers
Gottfried schwebte einen Moment lang, vollführte noch einige Hiebe gegen den schwarzen Versucher, dann stürzte er, kam rücklings auf sein Lager zu liegen und namenlose Erschöpfung presste ihn in die Polster.
» Satan « , murmelte er hilflos. » Die schamlose schwarze Bestie … «
» Ängstigt Euch nicht « , sagte die helle Stimme. » Er ist eben gerade zum Zelt hinausgeflogen. Ich glaube, der hat genug und kommt nie wieder. «
Seine Kraftlosigkeit war so groß, dass er nicht einmal die Augen öffnen konnte. Doch er wusste, dass es Tiessa, Jean Corbeilles Tochter war, die mit ihm redete, und aus irgendeinem Grund war er sicher, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Erleichterung erfasste ihn und er versank in tiefer Schlaffheit.
» Jetzt ist ein für alle Mal Schluss « , drang eine zornige Frauenstimme schmerzhaft in sein Gehör. » Du bist meine Magd, Tiessa, und ich bin nicht bereit, dich länger zu entbehren. «
» Dann müsst Ihr mich mit Gewalt von hier fortschleppen, Herrin. Ich werde Gottfried von Perche nicht verlassen! «
» Dickköpfige Person! Er wird sterben, das ist so gut wie sicher. Und du, dummes Mädchen, wirst dich noch an seinem Fieber anstecken! «
» Er wird nicht sterben! Nicht solange ich ihn pflege! «
» Ach, geh doch zum Teufel, wenn du nicht auf mich hören willst! «
Er verspürte eine tiefe Rührung, die er nicht so recht deuten konnte, doch unter seinen geschlossenen Lidern quollen Tränen hervor. Das warme Nass rann in seinen stoppeligen Bart, und gleich darauf schmeckte er die salzigen Tropfen auf seiner Zunge. Das schöne Gefühl verging jedoch gleich darauf, und er begriff, dass er todkrank war, es schien sogar, dass man ihn schon aufgegeben hatte. Eine heftige Furcht stieg in ihm auf, trieb ihm den Schweiß aus allen Poren und überdeckte selbst die Kraft des zehrenden Fiebers. Er fürchtete den Tod nicht, der überall und zu jeder Stunde in das Leben der Menschen einbrechen konnte. Doch er fürchtete sich davor, gar jämmerlich an einer Krankheit zu sterben, anstatt sein Leben im ritterlichen Kampf für die Sache der Christen einzusetzen. Drei seiner Gefolgsleute aus dem Perche, mutige Ritter, waren an einer solchen Seuche dahingeschieden, und auch den Herren Theobald von Blois und seinem Bruder Stephan von Sancerre war es nicht besser ergangen. Sagte man nicht, dass der Sohn des großen Barbarossa, Friedrich von Schwaben, ebenfalls von einem Fieber dahingerafft worden war?
Er riss die Augen auf und sah über sich die blaue Kuppel seines Zeltes, die wie in einem schlimmen Sturm zu schwanken schien.
» Ist Akkon gefallen? «, rief er.
Undeutlich erkannte er den jungen Bertran, der neben ihm kniete und jetzt ein wenig Wein aus der Kanne in einen Becher goss.
» Nein, Herr. Die Garnison des Sultans hat bisher alle Angriffe abgewehrt. Trinkt, das wird Euch guttun. Es ist roter Wein aus Genua mit nur wenig Wasser gemischt. «
Bertran stützte ihn, als er sich zum Sitzen aufrichtete, und obgleich er am ganzen Körper zitterte und alle Gegenstände im Zelt um ihn zu kreisen schienen, trank er den Becher gierig leer.
» Heute ist der Löwenherz mit seinen Leuten hinübergezogen « , schwatzte Bertran. » Die ›Balliste Gottes‹ der Hospitaliter frisst fleißig Löcher in die Mauer, und auch die Balliste des Grafen von Flandern richtet großen Schaden an. Der Löwenherz führt sie, seitdem der Graf von Flandern gefallen ist. «
Erleichtert begriff er, dass ihm noch die Chance geblieben war, bei der Eroberung der Stadt mitzuwirken. Wie lange mochte er gelegen haben? Eine Woche vielleicht?
» Ein Angriff? « , wollte er wissen. » Wer führt ihn? Der Löwenherz oder König Philipp? «
» Der englische König und seine Anhänger, Herr. Aber auch andere. Ich glaube, dieses Mal wird die Stadt fallen. «
Eine große Unruhe erfasste Gottfried. Er verlangte von Bertran frische Wäsche, seinen Gewandrock, die Stiefel. Kaum hatte der verblüffte Knabe diese Dinge herbeigetragen, da schickte er ihn nach einer Mahlzeit, einem guten Trunk und begann, sich in aller Eile anzukleiden. Nur keine Zeit verlieren, er musste rasch etwas zu sich nehmen, dann sollte Bertran ihm in Waffenrock und Kettenpanzer helfen … Nein, zuerst musste sein Pferd gesattelt werden …
Gottfried von Perche würde nicht müßig auf dem Lager liegen, wenn drüben christliche Ritter ihr Leben wagten, um die Stadt Akkon den Sarazenen zu entreißen. Er würde kämpfen, getreu dem Eid, den er geleistet
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