Die Braut des Kreuzfahrers
Wasser. Und dann sorge dafür, dass niemand mich stört, ich will ein wenig ruhen. «
Er verspürte einen Schwindel und nahm nur undeutlich wahr, wie Bertran zum Tisch ging, um das Tintenfass sorgfältig zu verschließen, und dann den halbgefüllten Krug vom Boden aufhob. Der Junge blickte noch einmal sorgenvoll auf seinen Herrn, bevor er die Zeltplane beiseiteschlug und verschwand. Gottfried musste gegen eine Welle der Übelkeit ankämpfen, die endgültig alle Gedanken an seinen Vater aus seinem Kopf vertrieb. Als ihn die Plage wieder freigab, schüttelten ihn heftige Kälteschauer, die Vorboten des Fiebers.
Also doch, dachte er unglücklich. Aber vielleicht geht es vorüber, wenn ich ein paar Stunden schlafen kann.
Doch das Fieber war stärker als der Schlaf, es breitete sich in seinem Körper aus, kroch mit brennender Hitze durch sein Gebein und schoss pochend in seinen Schädel. Kraftlosigkeit erfüllte ihn, es kostete unendliche Mühe, sich zum Sitzen aufzurichten, um einen Schluck aus dem Becher zu nehmen. Schwerer noch war es, den irdenen Becher anschließend wieder abzustellen, ohne ihn fallen zu lassen. Wenn er nach solcher Anstrengung erschöpft wieder zurücksank, zeigten sich Bilder und Fantasien, die er bei klarem Verstand und im Vollbesitz seiner Kräfte nicht zugelassen hätte. Er sah seine Ehefrau Richenza durch die große Halle seiner Burg gehen. Ihr rotes Obergewand flatterte um ihren schlanken Leib, der Stoff bauschte sich wie die Flügel eines Vogels, der von einem Zweig abhebt und davonfliegt. Er spürte, wie sein Herz hämmerte, als das rote Gewand davonschwebte, dann auch das helle Unterkleid mit den langen, tütenförmigen Ärmeln, das Hemd, die Schuhe … Sie stand nackt und mit offenem Haar da, den Rücken gegen eine der runden steinernen Säulen gelehnt. Ihr heller Leib, den er noch niemals ohne ein Hemd gesehen hatte, zog ihn so heftig an, dass er leise ächzte. War es das Fieber oder das männliche Begehren, das in seinem Leib brannte? Das sein Gemächt bewegte und hart werden ließ? Ihr Leib war jung und straff, die runden Brüste schmückten sich mit rosigen Knospen, und die weiche Linie der Hüften wies auf den Hügel der Lüste, jenen Ort, dessen süße Geheimnisse lockiger Flaum verhüllte. Sein Begehren war keine Sünde, denn Richenza war seine angetraute Ehefrau. Allerdings war sie schwanger und somit dem Zweck der Ehe Genüge getan. Auch befand er sich auf einem Kreuzzug, wo ein Ritter sich solcher Wünsche enthalten sollte. Dennoch gab er sich eine Weile dieser ausgesprochen süßen Vorstellung hin und begann, den Traum nach seinem Wunsch zu lenken, indem er sich der nackten Verführerin näherte, einzelne Partien ihres bloßen Körpers genauer besah, und schließlich die Arme nach ihr ausstreckte, um sie zu berühren. Ihre Haut war zart und kühl wie Seide. Er strich über ihre Brüste, die weiß wie das Gefieder der Schwäne waren, und führte die kosende Hand tiefer hinab, als er plötzlich von einem gewaltigen Fieberschauer ergriffen wurde. Der Schüttelfrost erfasste ihn so heftig, dass seine Zähne aufeinanderschlugen. Schlimmer jedoch war der Schrecken, der ihn durchfuhr, denn jene süße Verführerin war nicht Richenza. Als sie den Kopf hob, um ihn anzusehen und das lockige Haar ihr Gesicht freigab, erkannte er zu seinem größten Entsetzen Jean Corbeilles Tochter Tiessa.
» Herr? Herr, ich glaube, dass es besser ist, einen Arzt zu holen. Ihr braucht einen Trank gegen das Fieber. Herr? Herr – so gebt mir doch eine Antwort … «
» Geh! «
Seine Stimme klang heiser, schien die eines Fremden zu sein. Er warf den erschrockenen Bertran mit einem kräftigen Stoß von sich, denn er glaubte, die sündige Eva, das Trugbild seiner eigenen Unzucht, dringe auf ihn ein. Der Junge stieß im Davonlaufen den Krug um, und erst als Gottfried die dunkle Lache besah, die sich auf dem Stoff des Zeltbodens gebildet hatte, begriff er, dass er einem Fieberwahn erlegen war. Keuchend sank er zurück auf seine Polster. Er spürte, wie die roten und blauen Flammen über ihm zusammenschlugen und er im Fegefeuer brannte, das er gern und willig auf sich nahm.
Nichts blieb von seinem Körper als weiße Asche, die mit dem Wind davonwehte. Nichts von seinen sündigen Träumen als die bläuliche Tiefe des Firmaments. Nichts von seiner Seele, die unsterblich war und doch wie ein Lufthauch verging, unsichtbar, unfassbar auf ihrem Weg zu Gott, von dem sie einst gekommen war.
Manchmal spürte er,
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