Die Braut des Kreuzfahrers
die gerechte Strafe Gottes für die Sünden der Kreuzritter gewesen. Inzwischen hatte er auch erfahren, auf welche Weise Konrad von Montferrat sich die Königswürde erheiratet hatte. Man hatte die arme Isabella, die Schwester der verstorbenen Königin Sibylle, gezwungen, sich von ihrem angetrauten Ehemann scheiden zu lassen, und auch Konrads Ehe musste für null und nichtig erklärt werden. Der Erzbischof von Pisa war als päpstlicher Legat für diese Sache eingetreten – man munkelte, dass ihn reiche Zuwendungen an seine Landsleute dazu gebracht hatten –, und der Bischof von Beauvais – ein Vetter des französischen Königs – hatte die Ehescheidungen vollzogen und Isabella mit Konrad verheiratet. Gottfried wusste recht gut, dass solch unchristliche Intrigen auch drüben in der Heimat vorkamen, doch er hatte geglaubt, dass Ähnliches hier im Heiligen Land nicht denkbar sei. Er hatte sich getäuscht.
Guido von Lusignan, der Witwer der Königin Sibylle, war durch Konrads Heirat vom Thron gestoßen worden, doch war er längst nicht bereit, auf die Königswürde zu verzichten. Der Streit zog weitere Kreise, als die beiden Könige ins Heilige Land kamen, denn Guido von Lusignan war Vasall von Richard Löwenherz, während der französische König Philipp Konrad von Montferrat unterstützte. Nicht genug damit, hatten sich auch die miteinander im Wettstreit liegenden Seefahrerstädte eingemischt. So kämpften die Herren aus Pisa gemeinsam mit Löwenherz und Lusignan, während sie für den französischen König keinen Finger krumm machten. Dagegen hielten die Genuesen strikt zu König Philipp und Konrad von Monteferrat, denn sie hassten ihre Konkurrenten aus Pisa und trachteten danach, ihnen zu schaden.
Die Erbitterung, die ihn befiel, während er sich diese Zwistigkeiten wieder ins Gedächtnis rief, trieb das Fieber erneut in die Höhe. Als er zornig darüber nachdachte, dass sich die geschäftstüchtigen Pisaner und Genuesen an der Not der Kreuzritter während des vergangenen Winters schamlos bereichert und die Preise für Lebensmittel in schwindelnde Höhen getrieben hatten, spürte er, wie seine Brust eng wurde und er um Atem ringen musste. Er öffnete die Augen und erblickte einen schwarzen Teufel, der mit gekreuzten Beinen auf seiner Brust saß und ihn angrinste. Der verabscheuenswürdige Satan war nackt, kurzes, dunkles Haar wuchs auf seinem Körper, sein Gemächt war groß und unbedeckt wie bei einem Tier.
» Was jammerst du über die Sünden anderer und bist doch selbst der ärgste Sünder unter der Sonne! « , flüsterte ihm der Teufel zu.
» Ich weiß wohl, dass ich ein sündhafter Mensch bin « , stöhnte Gottfried.
» So beichte mir deine Missetaten « , forderte ihn der Teufel auf. » Beginne mit den unzüchtigen Gedanken … «
» Dir soll ich beichten? Willst du mich dazu verführen, Gott dem Herrn abtrünnig zu werden und Satan anzuhängen? «
» Beichte deine Sünden, Gottfried von Perche. Zögere nicht, solange noch Zeit ist und du noch das Leben hast. «
» Verschwinde! Hebe dich hinweg von mir! Fort! Verfluchter – weiche von mir … «
Die Last auf seiner Brust wurde immer schwerer, als seien die schwarzen Glieder Satans aus purem Blei gegossen, und er glaubte, ersticken zu müssen. Mit seinen letzten Kräften wehrte er sich gegen den Höllenfürsten, stieß mit der Lanze gegen ihn wie einst der heilige Michael, und als sich diese Waffe als stumpf erwies, gebrauchte er die Fäuste. Bis zum letzten Atemzug wollte er sich gegen den Versucher wehren, der ihm die unsterbliche Seele nehmen wollte.
» Vater, komm rasch ins Zelt und hilf uns! « , rief eine helle, energische Stimme. » Er wütet wie ein Berserker, wir müssen ihn festbinden. «
» Herr, erkennt Ihr mich denn nicht? Ich bin Jean Corbeille, Euer gehorsamer Diener und … «
» Es hat keinen Zweck, mit ihm zu reden, Vater. Er ist im Fieber und weiß nicht, was er tut. Tritt hinter ihn und lege die Arme um seine Mitte. Ja … so ist es richtig. Festhalten! «
Gottfried nahm die Stimmen nur undeutlich wahr, sie schienen ihm teuflisches Blendwerk zu sein, denn sie klangen so, als gehörten sie Tiessa und ihrem Vater. Es war aber ganz und gar unmöglich, dass sein Angestellter und dessen Tochter in der Nähe waren, während er mit dem Teufel kämpfte.
» Zieh ihm jetzt die Beine weg, Bertran! Vorsichtig, dass du keinen Tritt abbekommst. Zieh sie nach vorn, wir halten ihn schon fest, er wird sich nicht verletzen. «
Der Ritter
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