Die Braut des Kreuzfahrers
dass ihm jemand einen Becher an die Lippen setzte und das kühle Getränk in seinen ausgetrockneten Mund floss. Er hatte jedoch große Mühe, die Flüssigkeit zu schlucken, weil sein Hals zugeschwollen war und in Brust und Magen das Feuer wütete. Wenn er sich dann verschluckte und husten musste, war es, als stießen tausend Lanzen in seinen kranken Leib.
» Wird er wieder gesund werden, Tiessa? «
» Stell nicht so viele Fragen, Bertran. Gib mir die Schale mit dem Sud. Nimm die Decke fort. «
» Das Gebräu riecht komisch. «
» Halte ihn fest, er will wieder um sich schlagen. «
Die feuchten Tücher verschafften ihm ein wenig Erleichterung, meist fiel er dann in einen tiefen Schlaf, aus dem ihn der nächste Fieberanfall erweckte. Einmal fuhr er sich mit der Hand über die Wangen und stellte fest, dass ihm ein kurzer Stoppelbart gewachsen war. Er war aber viel zu schwach, um das Rasiermesser zu gebrauchen, das Bertran auf seinen Befehl hin herbeitrug, und er sank zurück in die unruhige Welt der Träume und Vorstellungen.
» Er muss essen! «
» Er kann nicht gut schlucken, Bertran. «
» Aber er wird verhungern! «
» Unsinn. Ein paar Fastentage werden ihn nicht umbringen. «
» Aber er fiebert jetzt schon den siebten Tag. «
» Anstatt zu jammern, könntest du mir helfen, ihm ein frisches Hemd anzuziehen. «
Die Hände, die ihn berührten, waren nicht immer sanft, besonders wenn man ihn zum Sitzen hochzog oder auf die Seite drehte. Oft aber strichen sie mit Zärtlichkeit über seine Stirn, die Schläfen, über Arme und Hände, auch über die bloßen Füße. Häufig erblickte er Bertrans besorgtes Antlitz, manchmal aber auch andere Gesichter, die sich über ihn beugten. Es waren Ritter aus dem Perche, der breite, schwarzhaarige Gilles von Chenet und der schmächtige Fulco von Villeneuve. Auch Roger de Briard erkannte er, der doch vor nicht allzu langer Zeit einen Pfeil im Halse stecken hatte, nun aber wieder von seiner Wunde genesen war. Gilbert Corniac neigte sich über ihn und seufzte mehrfach aus tiefstem Herzen. Einmal sah er den Priester neben sich, der seinen Vater zur letzten Ruhe begleitet hatte, ein anderes Mal glaubte er, dass König Philipp von Frankreich und Konrad von Montferrat zu ihm redeten und ihm gute Genesung wünschten.
Immer wieder tauchte das Gesicht von Jean Corbeilles Tochter auf, das rosig von der Wärme im Zelt war. Tiessa hatte das Haar sorgsam unter einer Haube verborgen und ihre Augen aufmerksam auf ihn gerichtet. Augen von der Farbe des Meeres, in dem sich der Himmel widerspiegelt. Manchmal fragte sie irgendetwas, und wenn er krächzend mit fremder Stimme Antwort gab, lachte sie ihn aus. Es war angenehm, von ihr ausgelacht zu werden, denn sie meinte es nicht böse und ihr Lachen war fröhlich und ansteckend. Wenn er selbst lachte, tat ihm jedoch die Brust weh.
In den kurzen Phasen, da das Fieber an Kraft verlor – es musste in den Morgenstunden sein –, beschäftigten ihn allerlei Gedanken. Er hatte das Gefühl, Tiessa etwas schuldig zu sein. Eine Antwort auf eine Frage, die sie irgendwann gestellt hatte und auf die er nur unzureichend eingegangen war. Es lag daran, dass ein Ritter mit der Tochter seines Ministerialen nicht über solche Dinge sprechen sollte. Er selbst konnte mit den hier herrschenden Verhältnissen unzufrieden sein, er konnte sich darüber auch mit Männern seines Standes austauschen, keinesfalls aber mit einem Mädchen. Und doch hatte er aus ihrer Frage herausgehört, dass sie sich mit ähnlichen Gedanken herumschlug wie er, wenn auch auf eine kindlich-naive Weise und ohne das Wissen, das ihm inzwischen zuteilgeworden war. Aber vielleicht brauchte sie dieses Wissen gar nicht, vielleicht war sie mit dem Gespür des Weibes sehr viel näher an der Wahrheit als er selbst? Vielleicht lag ja im Herzen dieses Mädchens mehr Weisheit als in den Köpfen der Könige und Patriarchen?
Was ihm der Priester Simon Mercier in Tyros erzählt hatte, war keine Lüge gewesen und fand hier im christlichen Lager seine Bestätigung. Intrigen und niedere Rivalitäten herrschten unter den Kreuzfahrern, die noch dazu muselmanische Gebräuche angenommen hatten. In Tyros hatte er Christen im seidenen Burnus und mit einem Turban auf dem Kopf gesehen, schlimmer noch waren die Gewänder der Frauen, die kurze goldbestickte Jacken über den langen Untergewändern trugen und sich nach Art der Muselmaninnen verschleierten. So war der Triumph der Sarazenen unter Sultan Saladin wohl nur
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