Die Braut des Kreuzfahrers
steifen Gliedern ging sie hinter ihm her. Was jetzt mit ihr geschah, war ein Traum. Ein böser Alpdruck, der nichts mit ihrem wirklichen Leben zu tun hatte. Ein Nachtmahr, der verging, wenn die Sonne sich am Morgen am Horizont erhob. Das wirkliche Leben war nicht hier, es war auf der anderen Seite. Dort, wo es weder Unglück noch Irrtümer gab. Dieses Leben war ewig, es war stärker als Schmerzen und Tod.
Eine kleine Pforte öffnete sich, und ein feuchter, muffiger Geruch schlug ihr entgegen. Anschließend hörte sie, wie jemand hinter ihr die Tür geräuschvoll verriegelte. In ihren Armen prickelte es, als kröchen Hunderte von Ameisen durch ihre Adern, dann, langsam, aber unaufhaltsam, breitete sich ein ziehender Schmerz aus, der sie leise stöhnen ließ.
Weiter geschah nichts.
34
W ir werden das heilige Jerusalem schauen«, flüsterte Bertran. »Wie ein Vorgeschmack auf das Paradies wird es sein, die Stadt der Städte, der Mittelpunkt der Welt …«
Er musste husten und Gottfried wartete einen Moment, bis er ihm den Wasserschlauch noch einmal an die Lippen setzte. Bertran trank in langen Zügen und schloss dabei die Augen. Sein Gesicht war fast bis zur Unkenntlichkeit von den Stichen der Mücken verschwollen, die gegen Abend in dichten Schwärmen über die Kreuzfahrer herfielen. Sie waren Saladins tückische Helfer, die aus dem sumpfigen Marschland der Flussmündungen aufstiegen, um die erschöpften Männer auch in der Nacht zu plagen, winzig, blutgierig und nahezu unbesiegbar, denn sie erreichten auch den verborgensten Flecken Haut.
» Der Sultan weiß, weshalb er sein Lager in den Bergen errichtet hat « , knurrte Roger de Briard. » Der ist nicht so dumm, sich hier unten in der Ebene von diesen Plagegeistern auffressen zu lassen. «
Er spuckte aus und schob einen Ast ins Feuer, das zu erlöschen drohte. König Löwenherz hatte beschlossen, zuerst die Küstenstädte südlich von Akkon zurückzuerobern, um sich danach der Heiligen Stadt zuzuwenden. Es war ein höllischer Marsch an der Küste entlang bei glühender Augusthitze in voller Rüstung. Heute hatte man einen Ruhetag gehabt, damit die erschöpften Männer wieder zu Kräften kamen. Zudem musste man auf die Versorgungsschiffe warten, die ein widriger Westwind daran hinderte, auf gleicher Höhe mit dem Heer zu bleiben. Morgen in aller Frühe nahm der Eroberungszug seinen Fortgang. Haifa war genommen, auch Caesarea – beide Städte hatte man in Trümmern und mit geschliffenen Mauern gefunden. Die Bewohner waren geflohen und verbargen sich, so gut sie konnten, in den Wäldern und umliegenden Ortschaften. Saladin gönnte den Feinden kein Korn und keinen Halm, auch die Brunnen hatte er zuschütten lassen.
Roger war düsterster Stimmung, da er seit einigen Tagen zu Fuß gehen musste. Sein Pferd war unter ihm mit Krämpfen zusammengebrochen, und er hatte dem armen Tier das Schwert ins Herz gestoßen, damit es verreckte und nicht etwa bei lebendigem Leib von den Schakalen gefressen wurde. Es ging ihm nahe – er hatte die rotbraune Stute selbst gezogen und zugeritten, nie zuvor war ihm ein klügeres, gefügigeres Wesen zwischen die Schenkel geraten. Dazu kam, dass er durch diesen Verlust zum Fußkämpfer geworden war, was seiner Ritterehre gewaltig widersprach. Aber wenn der Heerführer sie weiterhin bei dieser glühenden Hitze in voller Rüstung marschieren ließ, würde sich bald ein anderes Reittier finden. Auch heute waren wieder etliche Männer ohnmächtig aus dem Sattel gestürzt, Opfer der Hitze, die ihnen das Hirn zerfraß und ihr Blut zu flüssigem Blei werden ließ. Den meisten war nicht mehr zu helfen, man musste sie liegen lassen. Wenn Gott ihnen gnädig war, dann nahm er sie zu sich, bevor sie Saladins Leuten in die Hände fielen. Dort wurden sie peinlich verhört und anschließend ohne Gnade geköpft. Man war im Kampf, da war keine Zeit für feinsinnige Gespräche und Schachspiele unter adeligen Rittern, wie man es vor Akkon in den Zelten der Huren gehalten hatte. Auch die Sarazenen, die das Unglück hatten, von den Kreuzrittern gefangen zu werden, hatten keine Milde zu erhoffen.
» Es ist noch vor Mitternacht « , meinte Gottfried von Perche. » Schlaf ein wenig, Bertran. «
Der Junge war unruhig, mal schien er vollkommen klar im Kopf, dann wieder redete er wirres Zeug, sodass man sich um ihn sorgen musste. Gottfried hatte ihn tagsüber auf seinem Pferd reiten lassen und war selbst zu Fuß gelaufen, weil Bertran sonst wohl das Schicksal so
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