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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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davongekommen. Weil sie Muselmaninnen waren, brachten ihre Entführer sie in das Feldlager des al-Adil bei Lydda.
    Gottfried vernahm diese Kunde mit Schaudern, und er pries sich glücklich, Tiessa per Schiff in die Heimat geschickt zu haben. Nicht auszudenken, was ihr hätte widerfahren können, wäre sie auf seinen Befehl hin nach Tyros gelaufen …
    » Also meinetwegen. Aber mehr als zwanzig Besants kann ich dir nicht leihen. «

37
    S ie war ein Stück Vieh – dreckig, verlaust, am ganzen Körper stinkend. Die braun-weißen Ziegen waren besser dran als sie, denn sie konnten sich frei bewegen, genau wie Hühner und Tauben. Nicht einmal der Hund war angebunden, nur die christliche Sklavin Tiessa trug Tag und Nacht diesen elenden Strick um den Hals.
    Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie solche Demütigung erfahren. Ihre Haut war wundgescheuert, sie spürte das Seil bei jeder Bewegung, sogar wenn sie schluckte, und wenn sie schlief, träumte sie von dürren Händen, die ihren Hals umklammert hielten, um ihr die Luft abzudrücken.
    » Du bist selbst daran schuld « , sagte der alte Jussuf Ibn Abbas. » Ich sagte dir doch, dass man Fatima gehorchen muss. Wenn du dich fügst und ihren Willen tust, wird sie sanft wie eine Taube sein. Mit Leckereien wird sie dich verwöhnen, dir schöne Kleider geben, im Frauengemach wird sie dich in Rosenwasser baden und dir ein weiches Lager bereiten. «
    Der Alte hielt sich erstaunlich oft in ihrer Nähe auf und schwatzte das Blaue vom Himmel herunter. Tiessa war sich nicht sicher, ob er den Verstand eingebüßt hatte und wirres Zeug redete, oder ob er wirklich glaubte, sie durch solch absurde Versprechungen gefügig zu machen. Aber vermutlich sagte er nur, was Fatima ihm aufgetragen hatte, so wie er überhaupt in allen Dingen dieser krummen Alten untertan war. Es war schade um ihn, denn sie mochte seine Geschichten. Da er aber solch ein jämmerlicher Feigling war, hatte sie inzwischen nur noch Verachtung für ihn übrig.
    Oft erzählte er ihr die erstaunlichsten Begebenheiten aus seiner Jugendzeit, als er sich mal diesem, mal jenem Herrn als Kämpfer anbot und reiche Beute ansammelte. Namen schwirrten umher, die sie sich nicht merken konnte, doch sie verstand, dass sich der große Sultan Saladin in seiner Anfangszeit hart und gewaltsam gegen andere Herrscher durchgesetzt hatte. Es war unter den Sarazenen nicht anders als unter den Rittern in Frankreich oder England – sie lebten für den Kampf. Traurig, wenn solch ein Kämpfer dann eines Tages zu gebrechlich war, um das Schwert zu führen, und daheim unter die Fuchtel seiner Ehefrau geriet. Dann wurde der große Held zu einem schrumpligen Greis, ein Schatten seiner selbst, der in der Burg herumgeisterte und vergebens alte Zeiten beschwor.
    Ach, sie war ungerecht und verbittert. Aber war das ein Wunder? Ihr Leben war ein tagtäglicher, verzweifelter Kampf gegen den harten Willen der alten Fatima. Jeden Morgen musste sie alle verbliebenen Kräfte sammeln, um sich gegen diese widerwärtige Tyrannin zu stemmen, jeden Abend sank sie vollkommen erschöpft auf das Strohlager, hörte, wie man hinter ihr die Stalltür verriegelte, und hatte nur die Hoffnung, rasch in den erlösenden Schlaf zu sinken. Da sie die Tür der Rumpelkammer unbrauchbar gemacht hatte, war der Ziegenstall zu ihrem Nachtquartier geworden, das sie sich mit den ursprünglichen Bewohnern teilen musste. Das verdammte Seil war immer dabei, es wurde unter der Tür durchgezogen und draußen am Feigenbaum festgebunden. Mehrfach hatte sie in der Nacht, wenn sie unbeobachtet war, den Versuch gemacht, die dicke Schnur an einem Mauerstein durchzuscheuern – vergeblich, die Steine waren nicht hart genug, sie bröckelten, wenn man das Seil darüberrieb. Sie hatte die Schnur heimlich mit dem faden Gemüsebrei, den man ihr vorsetzte, eingeschmiert und gehofft, die Ziegen würden in der Nacht daran knabbern, aber die dummen Tiere leckten nur ein wenig an dem Seil herum und ließen es dann liegen. Tiessa konnte es ihnen nicht einmal verdenken – diese Gemüsepampe wurde ganz sicher extra für die renitente Sklavin gekocht und war einfach ekelerregend.
    Alle Frauen in dieser Burg hassten sie – weshalb, das war ihr nicht ganz klar, aber es war ein schweigender, eingefleischter Hass, der aus einer tiefen Angst erwuchs. Oft spürte Tiessa die Blicke von Sitha und Budur, die prüfend und voller Sorge auf ihr ruhten, als stecke in der christlichen Sklavin ein böser Geist, der eines Tages

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