Die Braut des Kreuzfahrers
hervorbrechen könnte, um alle Frauen in der Burg zu verschlingen. Es tat ihr leid, denn sie hatte nichts gegen die beiden jungen Frauen, die genau wie sie selbst der Macht der alten Fatima ausgeliefert waren. Hin und wieder versuchte sie es mit ein paar Worten Arabisch, die sie von dem alten Jussuf gelernt hatte, doch Sitha und Budur gingen auf ihre schüchternen Freundschaftsangebote nicht ein. Vielleicht lag es daran, dass die Sklavin Tiessa sich nicht kampflos der Tyrannei ergab, wie sie selbst es taten.
Die dritte Ehefrau des Mehmed al Faruk bekam Tiessa nur selten zu Gesicht, Aischa hielt sich niemals unten im Hof auf. Nur wenn sie oben auf der Dachterrasse stand, konnte Tiessa ihre dunkel gekleidete Gestalt sehen. Wenn es windig war, zeichnete sich ihr schmaler Körper unter den Gewändern ab, ihr Gesicht hatte Tiessa noch kein einziges Mal sehen können, denn Aischa zog einen Teil des weiten Umhangs über den Kopf.
» Sie war Mehmeds Augenstern, die liebliche Aischa « , erzählte der alte Jussuf und rollte dabei die Augen. » Zwei Jahre war mein Sohn mit Sitha verheiratet, da beschloss er, sich eine zweite Frau zu nehmen, und seine Wahl fiel auf die Tochter eines guten Freundes. Eine sanfte Blume war Aischa, gerade vierzehn Jahre alt, zutraulich wie ein Zicklein und schön wie eine Huri aus dem Paradies. «
Die Begeisterung des Ritters Mehmed hatte gerade einmal ein Jahr angehalten, dann hatte Aischa eine Tochter geboren, und nach dem Brauch der Muselmanen durfte er sie nicht berühren, solange sie das Kind stillte. Der Herr der Burg hatte sich wieder seiner ersten Frau zugewandt, die er im Rausch der Leidenschaft für die kleine Aischa wohl vernachlässigt hatte, doch die dürre Sitha konnte seine Lust nur für kurze Zeit befriedigen. Um das Feuer seiner Männlichkeit in Gang zu halten, suchte er nach einer weiteren Frau, und dieses Mal entschied er sich für etwas Handfestes. Budur war schon neunzehn, eine von vier Töchtern eines Bauern, der auf Mehmeds Land siedelte. Der Burgherr hatte die Schöne bei einem Jagdausflug gesehen, als sie die Ziegen ihrer Eltern hütete und dabei ein Bad im kühlen Bach nahm.
» Eine gute Ehefrau ist Budur « , versicherte der unermüdliche Jussuf. » Immer zufrieden, immer fröhlich. Zwei Enkel hat sie mir geboren, sie ist nicht wie die beiden anderen, die immer nur Mädchen auf die Welt bringen. Budur gebiert Söhne, sie ist eine gute Frau, solch eine Frau wünscht sich jeder Mann. «
Tatsächlich war Tiessa aufgefallen, dass sich die füllige Budur aus Fatimas Herrschaft nur wenig machte. Sie gehorchte ihr zwar, aber ohne Bitterkeit, sondern eher aus einer gewissen Faulheit heraus. Offenbar war sie froh, keine Entscheidungen treffen zu müssen und die Sorge um Haus und Hof einer anderen zu überlassen.
» Fatima hält sie alle drei in strenger Zucht « , erklärte Jussuf mit Stolz und störte sich nicht an Tiessas finsterem Gesichtsausdruck. » Täte sie das nicht, dann würden die Frauen untereinander streiten. Sich gegenseitig die Gesichter zerkratzen, die Haare ausreißen oder einander töten. So aber geht alles seinen ruhigen Gang, und wir sind zufrieden. «
Tiessa war anderer Meinung. Gewiss, die Muselmanen beteten keine Götzen an, sie bekannten sich zu Gott dem Herrn, den sie Allah nannten. Aber ihre Sitten waren abscheulich.
» Ein Christ hat nur eine einzige Frau. Sie ist die Mutter seiner Kinder und die Herrin in seinem Haus. «
» Schlimm, schlimm « , rief Jussuf und wackelte dabei mit dem Kopf. » Eine heiratet er, und alle anderen, mit denen er sein Lager teilt, bleiben unversorgt. Das ist nicht gut – ein Muselman nimmt sie alle auf in sein Haus, füttert und kleidet sie, gibt jeder das, was ihr zusteht, und seine Kinder sind unzählig wie die Sterne am Himmel … «
Es hatte gar keinen Zweck, mit diesem Menschen zu streiten, er sah ja doch nichts ein. Zudem kostete jeder Widerspruch Kraft, die sie an anderer Stelle nötiger brauchte. Täglich hatte sie eine gefährliche Gratwanderung zu bestreiten, musste herausfinden, wie weit sie gehen konnte, wann sie hart bleiben konnte und wo sie schließlich doch nachgeben musste. Fatima hatte Macht über sie, sie konnte ihren Dienern befehlen, die Sklavin zu prügeln, sie zu fesseln, in den Ziegenstall zu sperren. Dennoch schreckte die Alte davor zurück, Tiessa ernsthaft zu verletzen oder gar ihr Leben in Gefahr zu bringen. Sie hatte ihr zu trinken gegeben, als sie fürchtete, die starrköpfige Christin
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