Die Braut des Kreuzfahrers
sie nach dem Bad ab, reichten ihr die Gewänder, wollten ihr Haar kämmen. Tiessa wies sie jedoch zurück und verlangte einen Spiegel, um sich mit eigener Hand wieder ein wenig menschlich herzurichten. Die Hautabschürfungen brannten jetzt umso heftiger, doch die seltsam riechende Salbe, die Sitha ihr brachte, erregte ihr Misstrauen, und sie benutzte sie nicht.
Während sie noch das nasse, vollkommen zerzauste Haar bearbeitete, vernahm sie schon die Befehlsstimme des Burgherrn aus dem Nebengemach. Natürlich war ihr inzwischen klar geworden, weshalb man sie so herrichtete. Mehmed al Faruk hatte Appetit auf die Sklavin, er würde sie noch heute Nacht mit Gewalt nehmen, und sie hatte nur wenige Chancen, seiner Macht zu entkommen. Sie konnte versuchen, davonzulaufen, denn es befand sich kein Strick mehr um ihren Hals. Doch vermutlich würde sie nicht weit kommen. Sie konnte sich auch töten, um der Schande zu entgehen. Aber sie hatte nicht das monatelange Martyrium ertragen, um jetzt ihrem Leben mit eigener Hand ein Ende zu bereiten. Zudem war Selbstmord eine schlimme Sünde. Sie würde ihr Schicksal annehmen, alles über sich ergehen lassen und auf ihre Stunde warten. Irgendwann musste dieses Tal der Verzweiflung durchlitten sein und ihr Weg wieder bergauf führen. Daran glaubte sie fest.
Fatima selbst, die alte Hexe, erschien im Frauengemach, um zu entscheiden, ob die Sklavin schön genug hergerichtet war. Sie befahl ihren Schwiegertöchtern, ein seidenes Tuch und goldene Ohrgehänge zu bringen, doch Tiessa warf ihr beides vor die Füße. Hasserfüllt starrten Sitha und Budur sie an, doppelt zornig, weil die Sklavin ihnen nicht nur das Herz des Ehemannes stahl – sie gebärdete sich auch noch stolz und widerspenstig.
Oh, wie dumm diese Frauen doch waren. Sah sie vielleicht aus, als wollte sie das Herz des Burgherrn gewinnen? Vielleicht gar seine vierte Ehefrau werden? Die anderen drei verdrängen? Heilige Mutter Gottes – sie wäre ja froh, wenn er sie in Ruhe ließe und sie ungeschoren davonkäme.
Doch daran war nicht zu denken. Fatima zog sich mit sorgenvoller Miene zurück, Sitha und Budur griffen sich ihre Kinder und überließen Tiessa das Feld. Der Vorhang schloss sich hinter ihnen, und während Tiessa noch angstvoll auf den leise zitternden Stoff starrte, öffnete sich links von ihr eine schmale Seitentür, die sie zuvor gar nicht bemerkt hatte.
Mehmed hatte ebenfalls ein Bad genommen, denn sein Haar ringelte sich in feuchten Löckchen um die Stirn. Er trug ein langes Gewand aus blauem Brokat, das Tiessa kostbar wie der Palastmantel eines Königs erschien. Wie auch immer die Kämpfe ausgegangen waren – Saladins Verbündeter hatte reiche Beute gemacht. Er trat mit raschen Schritten in den Raum, ging an Tiessa vorbei, als wäre sie gar nicht da, und setzte sich auf ein Polster, das man extra für ihn bereitgelegt und mit einem dunkelroten, schön gemusterten Tuch bedeckt hatte. Erst dann richtete er die Blicke auf die Sklavin, die er für diese Nacht zu sich befohlen hatte und die ihm jetzt in respektloser Weise den Rücken zudrehte.
» Wende dich zu mir! «
Seine Stimme klang erstaunlich weich. Auch war seine Art zu reden nicht herrisch, sondern eher geduldig, es gefiel ihm ganz offensichtlich, dass dieses Mädchen Angst vor ihm hatte und sich schämte. Tiessa drehte sich langsam zu ihm um und begegnete seinem prüfenden Blick, der sie von oben bis unten maß. Sie hatte das unbehagliche Gefühl, wie ein junges Pferd auf dem Markt taxiert zu werden. Eine senkrechte Falte bildete sich über seiner Nasenwurzel, und das Lächeln auf seinen Zügen erstarb.
» Wer hat das getan? «
Sie schwieg, doch ihr war klar, dass er die blutigen Schrammen in ihrem Gesicht und am Hals meinte. War er deshalb ärgerlich? Nun ja – man hatte sein Eigentum beschädigt.
» Antworte! «
Er war mehr als ärgerlich, er war wütend. Hastig sprang er von seinem Sitz und trat dicht vor sie hin, strich ihr das lange Haar zurück und besah die Kratzer auf ihren Wangen. Mit leichtem Finger strich er über ihre Wange, hütete sich jedoch, die Wunden zu berühren, glitt über ihr Kinn und weiter hinab bis an die Kehle. Kurz bevor er die roten Striemen erreichte, die der Strick an ihrem Hals hinterlassen hatte, nahm er die Hand fort. Er murmelte etwas, das sie nicht verstand.
» Antworte! « , forderte er zum zweiten Mal.
Tiessa begriff, dass sie seinen Zorn auf sich lenken würde, wenn sie weiter schwieg.
» Was fragst du mich?
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