Die Braut des Kreuzfahrers
Christus gestorben war, sollte nun endlich den Heiden entrissen werden.
Gottfried tat der Knappe Konrad leid, denn er war für einen Feldzug eigentlich zu jung. Er hatte ihn nur mitgenommen, weil der Kleine ihn so dringlich angefleht hatte. Was er seit einigen Tagen bitter bereute.
» Pass auf die Stangen auf! « , brüllte er Roger zu.
Ein böser Fluch war die Antwort. Der Boden war felsig, sodass der Sturm die Zeltstangen wegknickte, bevor man überhaupt die Planen darübergezogen hatte. Einige der Männer hatten bereits aufgegeben, sie saßen im Schlamm und hielten die Zeltplanen über sich, um wenigstens vor dem sturzbachartig herabstürzenden Regen geschützt zu sein. Drüben, wo der Heerführer lagerte, war es gelungen, eines der Zelte aufzubauen. Wie lange es halten würde, stand jedoch in Gottes Hand, denn der Sturm blähte den Stoff und wollte ihn mit sich fortreißen.
Gottfried und seine Gefolgschaft trotzten den widrigen Elementen einen niedrigen Unterstand ab, der wenig Ähnlichkeit mit einem Zelt hatte und eher den flachen Behausungen der Nomaden glich. Doch er bot immerhin ein wenig Geborgenheit vor Wind und Wetter, für die Nacht mochte es gehen.
Schweigend hockte man unter der knatternden Plane, versuchte eine Körperstellung zu finden, die der Kälte so wenig Angriffsfläche wie möglich bot, was bedeutete, dass man sich eng zusammenkauerte. Es gab niemanden, der noch ein Stückchen trockenen Stoff am Körper hatte. An ein wärmendes Feuer durfte man nicht einmal denken, selbst wenn man Zeit und Kraft gefunden hätte, Brennholz zu sammeln, so wäre das Zeug nass und unbrauchbar gewesen.
Gottfried zog den zitternden Knaben an sich, um ihm etwas von seiner Körperwärme zu geben. Konrad hustete, seine Lippen waren blau.
» Jerusalem! « , knurrte Roger. » Die Stadt der Städte. Der Mittelpunkt der Welt … Salomons Schätze sollen dort liegen. «
Gottfried fasste nach der schwankenden Zeltstange, auch die anderen begriffen, dass man in dieser Nacht wohl wenig Schlaf finden würde. Es galt, diesen elenden Unterstand festzuhalten, bevor er mit dem Sturm davonsegelte.
» Ich würde jetzt einen ganzen Kasten Juwelen für ein gutes Stück Fleisch und ein frisches Brot geben. Ein knuspriges Brot, wie sie es daheim aus dem Ofen ziehen « , sagte einer der Kämpfer.
Bei der Erwähnung solcher Leckereien zog sich Gottfrieds leerer Magen schmerzhaft zusammen. Die Kameraden starrten den Sprecher mit hungrigen Augen an, dann begann ein Knappe zu schildern, wie das Erbsengericht schmeckte, das seine Mutter immer zubereitete. Die Erbsen quollen im Kessel auf und platzten, sodass ein dicker, wohlschmeckender Brei entstand. Darin lagen kleine Fleischstücke, die sie vorher weichgekocht hatte …
» Hört auf « , flehte der kleine Konrad. Doch niemand kümmerte sich darum, jetzt berichtete ein anderer vom Schlachttag auf dem Hof seiner Eltern, und man schwelgte in Würsten und gekochtem Schweinskopf. Sie alle hatten seit Tagen kaum noch etwas Essbares gesehen, da der Zwieback und das Fleisch durch die Nässe verdorben waren. Der Heereszug durch die Berge Judäas zur Heiligen Stadt war ein Martyrium, das die Kreuzfahrer mutig erduldeten – zum Lohn würde Gott ihnen die Eroberung Jerusalems und die Vergebung aller Sünden gewähren.
Roger de Briard beteiligte sich nicht an den Gesprächen, er hockte ein wenig abseits, in eine feuchte Decke gewickelt, und kaute auf einem Stück Leder herum. Es war inzwischen fast dunkel geworden, der Sturm blies jedoch mit unverminderter Kraft, und Gottfried teilte die Männer ein, damit immer einige von ihnen schlafen konnten, während andere den Zeltpfosten hielten. Er selbst und Roger würden den Anfang machen.
» Salomons Schätze « , sagte Roger zum wiederholten Mal, und seine Augen blitzten in der Dunkelheit. » Edelsteine und goldene Gefäße sollen es sein, ganze Truhen voll mit Münzen, silberne Becher, kostbare Schnitzereien aus Elfenbein … «
» Zieht es dich nur wegen der Schätze in die Heilige Stadt? Kamst du nicht hierher nach Outremer, um für die Sache der Christenheit zu streiten, wie es der Papst uns auftrug? «
Gottfried wusste längst, dass die Frömmigkeit nicht den ersten Platz im Gemüt seines Freundes einnahm, sondern die Gier nach Beute und die Lust am Kampf, vielleicht auch am Töten. Es gab auch noch andere Eigenschaften, die er an Roger wenig mochte, doch meist schwieg er um der Freundschaft willen. Jetzt aber war er durchgefroren und
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