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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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unendlich viele Pflanzen, die zur Heilung von Krankheiten verwendet wurden, und je häufiger sie Petrus Habakus bei seiner Arbeit half, desto deutlicher wurde ihr bewusst, wie gering ihre Kenntnisse bisher gewesen waren. Dieser dürre, seltsame Mann aber kannte sie alle, jedes Kräutlein und jedes Tier, die Harze und Öle, die Versteinerungen und Erden, die Metalle und Salze, die Gewürze und auch die Gifte. Sein Kopf musste zum Überlaufen voll davon sein, kein Wunder, dass er so oft Kopfschmerzen hatte. Wenn ihn diese Krämpfe befielen, zog er sich in einen dunklen Raum zurück, war für niemanden zu sprechen und man hörte ihn stöhnen. Es musste eine böse Krankheit sein, denn er erbrach sich häufig, doch wenn er sein Versteck nach einem oder zwei Tagen wieder verließ, war er vollkommen gesund.
    » Du hast eine geschickte Hand, Tiessa. Allah hat gewollt, dass ich dich auf dem Markt kaufte, damit du meine Blumen zum Leben erweckst. «
    Sie musste grinsen. Bei anderer Gelegenheit hatte er behauptet, der Teufel, den er Scheitan nannte, habe ihn dazu gebracht, eine solch untaugliche Sklavin wie sie in sein Haus aufzunehmen und durchzufüttern. Er saß über seine Schreibarbeit gebeugt, die Kopfbedeckung nach hinten geschoben, sodass seine hohe Stirn und das spärliche Kopfhaar sichtbar wurden, die Feder kratzte über das Papier, seine Augen hatten einen abwesenden, verträumten Ausdruck. Als er bemerkte, dass sie ihn ansah, warf er ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, verzog aber im nächsten Moment den Mund zu einem Grinsen. Offensichtlich war er heute in Erzähllaune.
    » Damals in Paris « , sagte er versonnen und schaute durch sie hindurch, als erblicke er hinter ihr die Straßen seiner Heimatstadt. » Damals in Paris war ich Pierre le Nez – so nannten sie mich wegen meiner langen Nase. Kesselflicker war mein Vater, ein armes Schwein, das noch dazu das Unglück hatte, neun Bälger in die Welt zu setzen. So ist das im Leben manchmal. Der Herr Graf hätte gern einen Sohn, viele Söhne, wenn’s sein muss auch Töchter, aber die Kinder sterben der Amme unter den Händen weg. Der arme Kesselflicker aber, der kaum selbst genug zu fressen hat, wird mit neun kräftigen, lebensfrohen Gören gesegnet … «
    Tiessa schwieg und malte mit Hingabe die Blütenknospe aus, legte ein wenig Braun und Schwarz über das Rot, besah ihr Werk mit kritischen Augen und fügte noch einige zärtliche Pinselstriche hinzu.
    Petrus Habakus tunkte die Feder in die schwarze Tinte und schrieb eine Weile, dann hielt er inne und verscheuchte eine Fliege, die sich auf seiner Stirn niedergelassen hatte.
    » Das siebente Kind bin ich gewesen « , nahm er seine Erzählung wieder auf. » Eine besondere Zahl ist die Sieben, wusstest du das, Tiessa? Sieben Plagen werden in der Endzeit über uns kommen, sieben Siegel werden gesprengt werden, sieben Posaunen blasen, wenn die Welt in Trümmer fällt. So steht es in der Bibel. Und wie eine Plage bin auch ich über meine armen Eltern gekommen. Zu einem Apotheker haben sie mich gegeben, haben Geld bezahlt für die Lehre, schwer verdientes, mühsam erspartes Geld. Doch ich hatte keine Lust, mich dreimal täglich bis aufs Blut prügeln zu lassen, und so lief ich eines Nachts davon. «
    » Weshalb hat er Euch geprügelt? «
    Petrus lächelte und zog die dünnen Augenbrauen in die Höhe. Man hätte glauben können, die harte Zeit seiner Lehre erschiene ihm jetzt, da die Zeit darüber hingegangen war, in heiterem Licht. Doch Tiessa kannte ihn inzwischen besser – wenn er so lächelte, war er voller Bitterkeit.
    » Einfach nur so, Tiessa. Er schlug auch sein Weib und seine Kinder. Es machte ihm Freude, wehrlose Wesen zu quälen. Es gibt solche Menschen … «
    » Gott wird ihn für diese Sünden strafen. «
    Die Antwort schien ihm zu gefallen, denn er kicherte eine Weile. Tiessa machte sich daran, die Blätter der Pflanze mit grüner Farbe zu betupfen, und sie dachte darüber nach, ob ihr Herr wohl ein guter Christ war. Hin und wieder redete er von der Jungfrau Maria und erwähnte Jesus Christus, auch kannte er sich in der Heiligen Schrift besser aus als mancher Priester. Dann aber wieder rief er » Allahu akbar « wie ein Muselman und erzählte, Mohammed sei der Prophet des Herrn. Wahrscheinlich hatte ihn der lange Aufenthalt unter den Muselmanen verwirrt, und so hatte sich der wahre, christliche Glaube in seinem Geist mit den Lehren Mohammeds vermischt.
    » Der siebente Sohn eines Kesselflickers « , sagte

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