Die Braut des Kreuzfahrers
wenigstens eine Magd oder ein Knecht musste doch auf dem Anwesen zurückgeblieben sein. Die Haustür war nicht verriegelt, sie wich knarrend nach innen, als sie gegen den eisernen Knauf drückte.
Die Küche mit dem langen Tisch und den beiden Bänken – ach wie oft hatte hier die Familie gemeinsam mit dem Gesinde die Abendmahlzeit eingenommen. Oben hatte der Vater gesessen, neben ihm die Mutter, die die kleine Tiessa zu Anfang noch auf dem Schoß hielt. Jordan, der hungrig mit dem hölzernen Löffel in die Schüssel fuhr. Ambroise, der großartige Schwätzer und Taugenichts …
» Jordan? Millie? «
Wie schon vermutet, erhielt sie keine Antwort. Ein Schwarm Fliegen erhob sich von einer Lache, die auf dem Tisch zurückgeblieben war, auch hatte man vergessen, einige Becher und einen hölzernen Teller fortzuräumen. Die Mutter hätte so etwas nicht geduldet, nicht einmal in Zeiten der Heumahd. Seltsam, dass Millie das Geschirr nicht fortgeräumt hatte, sie war doch sonst immer so genau …
Die Tür zur Wohnstube knarrte, also war doch jemand zu Hause. Neugierig blickte sie hinüber, fragte sich, ob es wohl eine der älteren Mägde war, die noch ihrer Mutter gedient hatten, da erstarrte sie.
Dort auf der Türschwelle stand ein Mann. Es war nicht Jordan und auch keiner der Knechte. Es war ein Mensch, den sie am allerwenigsten hier vermutet hätte.
» Willkommen in der Heimat, Tiessa! « , sagte Ivo. » Wie schön, dass du nach so langer, gefahrvoller Reise hierher zurückgekehrt bist. «
Er musste sie schon durch eine Fensteröffnung beobachtet haben, denn er zeigte keine Überraschung. Tiessa hingegen verspürte einen heftigen Schrecken bei seinem Anblick.
» Du staunst, mich hier zu sehen? «
» Allerdings … «
» Komm herein und ruh dich von der Reise aus, Tiessa. Ich werde dir alles in Ruhe erklären. «
Er machte lächelnd eine einladende Geste, als bitte er eine hochstehende Person in die Wohnstube. Plötzlich regte sich Misstrauen in Tiessas Gemüt, und eine innere Stimme sagte ihr, die Wohnstube besser nicht zu betreten. Was für ein Unsinn, dachte sie. Es ist meine Wohnstube. Mein Anwesen. Mit welchem Recht tut Ivo so, als habe er in meinem Haus etwas zu sagen?
» Ich bleibe lieber hier. «
Sie ließ sich auf einer der beiden Bänke nieder und legte ihr Bündel neben sich. Ivo machte eine Geste des Bedauerns, trat dann aber doch zu ihr und setzte sich ihr gegenüber. Schweigend musterten sie einander. Ivo Beaumont war wohlgekleidet, der Bart geschoren, das dunkelblonde Haupthaar knapp unter den Ohren abgeschnitten und sorgfältig gekämmt. Als er die Arme auf den Tisch stützte, sah sie, dass er an den Fingern mehrere kostbare Ringe trug. Vermutlich gehörten sie zu den Kleinodien, die er in Akkon an sich gebracht hatte.
» Du bist durch die Stadt gelaufen, nicht wahr? « , fragte er. » Hast du viele Bekannte getroffen? «
Weshalb wollte er das wissen? Jetzt bemerkte sie auch, wie unruhig er in Wirklichkeit war, sein linkes Augenlid zuckte.
» Diesen und jenen « , gab sie zurück. » Wo ist Jordan? Und Millie? Sind sie beim Heumachen? «
» Sie wohnen nicht mehr hier, Tiessa. «
Sie verspürte eine plötzliche Kälte, als sei mitten im Frühling der Frost zurückgekehrt. Etwas war geschehen, etwas Bedrohliches, und sie hätte es ahnen können. Dieser Mann hasste sie abgrundtief. Und er hatte sie verflucht …
» Es ist schade, aber ich konnte Jordan in meinem Haus nicht mehr dulden. Er ist ein Hitzkopf, wie du wohl weißt. «
» Dein Haus? Was redest du da? Dies ist mein Haus, das ich von meinem Vater geerbt habe! «
» Gewiss « , sagte er mit leiser Stimme, als müsse er ein aufmüpfiges Kind besänftigen. » Doch als dein Ehemann gehört mir alles, was dein ist. «
Sie fuhr so rasch von ihrem Sitz auf, dass der schwarze Hund erschrocken zu kläffen begann.
» Du wolltest mein Ehemann sein? «
Auch er erhob sich jetzt und hatte es eilig, ihr den Weg zur Tür zu verstellen.
» Natürlich. Wie schade, dass du dich nicht mehr erinnern willst, schöne Tiessa. Aber ich kann dir unseren Ehevertrag zeigen, ausgestellt in Akkon, von deinem Vater unterschrieben und vom Rat der Stadt bestätigt. «
» Das … das kann nicht sein! Solch einen Vertrag hat es nie gegeben. «
» Und doch ist er in meinen Händen, Tiessa. Besiegelt und unterschrieben von der Hand deines Vaters. Gültig bei Gericht. «
Sie begriff nun endlich. Er hatte sich mit Hilfe eines gefälschten Ehekontrakts in den
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