Die Braut des Kreuzfahrers
hinüber, wo sie sich von dem Grafen und seinen Knechten getrennt hatte. Dort standen jetzt zwei Burschen mit drei jungen Frauen zusammen und tuschelten aufgeregt miteinander – wie es schien, hatte man den heimkehrenden Kreuzfahrer als den Grafen Gottfried erkannt. Er selbst befand sich mit seinen Knechten längst ein gutes Stück weit entfernt auf dem Pfad, der an der Mauer entlang zur Burg hinaufführte. Das reiterlose Pferd folgte ihnen brav, ohne dass man es am Zügel führen musste.
» Tiessa! Gott sei mir gnädig. Bist du es wirklich, oder ist das ein teuflischer Trug? «
Der Torwächter war ein alter Mann, der um viele Ecken mit ihrem Vater verwandt war. Sie kannte ihn seit ihrer Kindheit.
» Ich bin es, Johannes « , gab sie lächelnd zurück. » Über ein Jahr sind wir fortgewesen, und ich komme allein zurück. «
Das Alter musste ihm inzwischen recht zugesetzt haben, denn er machte das Zeichen des Kreuzes, als müsse er einen bösen Geist abwehren. Danach trat er einen Schritt zurück, um sie mit scheuem Blick von oben bis unten in Augenschein zu nehmen.
» Gott der Herr ist gnädig « , murmelte er. » Er gibt und nimmt, wie es ihm gefällt. Dem einen schenkt er das Leben, der andere erlebt den Sonnenuntergang nicht mehr … «
Jetzt erst bemerkte sie, dass auch einige Mägde und zwei Frauen aus der Stadt stehen geblieben waren, um sie mit ungläubigem Staunen zu betrachten. Die alte Berte und ihre Nichte Guda waren Nachbarinnen, die damals nicht selten die Heilkünste ihrer Mutter in Anspruch genommen hatten. Jetzt blickten sie aus schmalen, misstrauischen Augen auf die Tochter ihrer einstigen Gönnerin.
» Heilige Jungfrau Maria – sie ist noch am Leben! «
Tiessa grüßte sie freundlich, versicherte ihnen, dass sie tatsächlich lebendigen Leibes zurück aus dem Heiligen Land gekommen war, und ließ sie dann stehen. Sie hatte wenig Lust, sich gleich bei ihrer Ankunft ausfragen zu lassen. Wieso hatten eigentlich alle geglaubt, dass sie tot sei? Und weshalb fragte niemand nach ihrem Vater? Wusste man hier schon, dass Jean Corbeille im Heiligen Land gestorben war?
Sie war froh, dass nur wenige Bekannte sie anredeten, während sie zu ihrem Elternhaus lief. Immerhin schien sich ihre Rückkehr bereits wie ein Lauffeuer herumgesprochen zu haben, denn was sie im Vorübergehen aufschnappte, klang recht abenteuerlich.
» Wie schön sie daherkommt! «
» Wie stolz! «
» Mit dem Grafen ist sie gekommen. «
» Dann muss er sie irgendwo aufgelesen haben. «
» Graf Gottfried ist zurück? Das wird ein Wiedersehen geben! «
» Gott verhüte, dass wir es ausbaden müssen! «
» Schaut doch, wie sie angezogen ist. Was für ein Stoff. Nicht einmal die Gräfin besitzt solch ein Übergewand. «
» Dafür sind die gräflichen Hemdchen alle aus feiner Seide. «
» Halt dein vorlautes Maul, Weib. Du schwatzt uns noch um Haus und Hof! «
Tiessa versuchte, die Andeutungen zu überhören, doch es gelang ihr nicht. Konnte es sein, dass die schöne Richenza ihrem Ehemann nicht die Treue gehalten hatte? Ach, dieses dumme, boshafte Geschwätz. Hatten nicht auch die Klosterfrauen seltsame Dinge über Richenza von Perche berichtet? Was auch immer davon Wahrheit oder Lüge war – es ging sie nichts an.
Sie bog um eine Ecke und stand vor dem Anwesen ihrer Eltern. Das stattliche Wohnhaus mit dem steinernen Sockel war ihr so oft im Traum erschienen, dass sie jetzt kaum glauben konnte, es wahrhaftig vor sich zu haben. Wie hatte sie sich nach diesem Ort gesehnt, als sie auf der Burg des Mehmed al Faruk gefangen war, und auch später in Damaskus, da sie glaubte, ihre Heimat niemals wiederzusehen. Lächelnd blieb sie vor der Umfriedung stehen, zögerte ein Weilchen, denn ihr war, als müsse sie noch einmal Kraft schöpfen, um durch das Tor in den Hof hineinzugehen. Niemand war zu sehen, nur die Hühner liefen umher, und ein grauer Kater schlief auf einem Fenstersims. Als sie das hölzerne Tor öffnete, lief ein großer schwarzer Hund auf sie zu und knurrte sie an. Das war nicht Barro, Jordan musste das Tier angeschafft haben, weil der alte Gefährte ihrer Kindheit gestorben war.
» Ist ja gut … Pass nur schön auf « , beruhigte sie das Tier und hielt ihm die Hand entgegen. Der Hund beschnüffelte sie und hörte auf zu knurren, doch sein Nackenfell war immer noch gesträubt, und er lief aufgeregt vor ihr her, als sie über den Hof zum Wohnhaus ging.
Wo waren sie denn alle? Bei der Heumahd? Das war möglich, aber
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