Die Braut des Kreuzfahrers
sollte ihn dabei begleiten.
» Wir müssen nach ihm suchen, Vater « , flehte Tiessa. » Wenn ein Pfeil ihn getroffen hat, dann liegt er jetzt irgendwo im Wald und verblutet an seiner Wunde. «
» Der will sich doch nur vor der Arbeit drücken « , murmelte Millie, und Jordan nickte bestätigend, denn er hatte wenig Lust, den ganzen Nachmittag über im Wald herumzulaufen.
Auch Corba war jetzt in Sorge, dass Tiessas Vermutung richtig sein könne. Man bat einige Nachbarn um Hilfe, Jean nahm die beiden Burgknechte mit, und Jordan hatte sich zu fügen. Tiessa ruhte nicht eher, bis der Vater auch sie mitreiten ließ. Eine Stute wurde für sie gesattelt, und sie saß wie ein Bauernmädchen auf, nicht wie eine Dame auf einem Zelter.
Es war nicht schwer, den Weg zu verfolgen, den die Jäger genommen hatten. Der Waldboden war dort aufgewühlt, Zweige waren geknickt, hie und da steckten verschossene Pfeile in den Stämmen, die so weit ins Holz eingedrungen waren, dass man sich nicht die Mühe gemacht hatte, sie wieder herauszuziehen.
Jean blickte düster drein. Der Herr hatte das Jagdrecht, er konnte es ausüben, wann immer es ihm gefiel. Wer unvorsichtig war und den Jägern in die Quere kam, der musste damit rechnen, getroffen zu werden. Auch Tiessa hätte verletzt oder getötet werden können, und Jean wusste nicht, was er in diesem Fall getan hätte.
» Hier war es, Vater. «
Es war der Ort, an dem sie noch vor wenigen Stunden mit Ivo allein gewesen war. Dort hatte er sein Pferd angebunden, hier entlang war er gelaufen, gleich neben dieser hohen Buche hatte er sie in die Arme geschlossen. Konnte es sein, dass Ambroise um diese Zeit ganz in der Nähe am Boden gelegen hatte? Von einem Pfeil getroffen, unfähig, um Hilfe zu rufen? Sie stiegen von den Pferden und suchten im Umkreis der Stelle den Wald ab, riefen nach dem Jungen, schauten im Unterholz nach, hinter den umgestürzten Baumstämmen, die auf dem Waldboden vermoderten. Tiessas Herz war schwer, als der Vater schließlich befahl, die Suche abzubrechen, da nirgendwo eine Spur von Ambroise zu entdecken war. Zudem hatte sich der Himmel zugezogen, und ein dünner Nieselregen durchnässte die Kleidung.
Am Waldrand wartete eine der Mägde. Sie hockte in ein Tuch gehüllt auf einem Baumstumpf und kaute an einem Hölzchen – um nichts in der Welt wäre sie mutterseelenallein in dieses unheimliche Gehölz gelaufen, schon gar nicht jetzt, da es langsam dämmrig wurde.
» Ihr braucht nicht weiterzusuchen, sagt die Herrin « , vermeldete sie. » Er ist fortgelaufen, der Schelm. All seine Sachen hat er mitgenommen und dazu noch Brot und Rauchfleisch gestohlen. «
Die Nachricht löste heftigen Zorn aus, vor allem Jean und Jordan fluchten, auch Tiessa war wütend über diese hinterhältige Flucht.
» Ich hätte ihm von Anfang an nicht trauen sollen « , schimpfte ihr Vater. » Niemand kannte den Burschen, hätte für ihn bürgen können – ich war ein Narr, ihn in meine Dienste zu nehmen. «
» Wer weiß « , mutmaßte Jordan. » Vielleicht ist er gar aus dem Kerker entflohen, und jetzt hat ihn jemand erkannt. Da hat er sich rasch davongemacht, der Galgenstrick. «
» Dabei hätte er noch Lohn zu bekommen … «
» Dafür hat er ja Brot und Schinken mitgenommen. «
Niemand hatte Ambroise gesehen, doch er musste heimlich zum Gehöft gelaufen sein, um die wenigen Sachen, die ihm gehörten, aus der Dachbodenkammer zu holen. Wie er das zuwege gebracht hatte, das konnte sich keiner erklären, denn Corba und die Mägde waren im Haus gewesen. Alle waren davon überzeugt, dass Ambroise ein Gauner war und irgendwann am Galgen enden würde. Nur Corba schüttelte den Kopf und meinte, dass der dumme Bursche sich eine schlechte Zeit ausgesucht habe, um davonzulaufen, denn der Winter stehe vor der Tür.
Tiessa war im Grunde ihres Herzens erleichtert. Besser, er war davongelaufen, als dass ihm etwas geschehen war. Außerdem lieferte Ambroises Flucht Gesprächsstoff für den ganzen Abend, sodass es für sie leichter war, ihre Unruhe vor der Mutter zu verbergen. Er wollte um sie anhalten! Ivo Beaumont begehrte sie zu seiner Frau! Oh, es war leichtfertig von ihr gewesen, sich in seine Arme zu werfen, sich von ihm küssen zu lassen. Und doch war es das Wunderbarste gewesen, das ihr jemals im Leben geschehen war. Schon morgen wollte er zum Vater gehen und um ihre Hand bitten. Bis dahin würde sie kein Sterbenswörtchen über das heimliche Treffen im Wald erzählen. Das konnte sie den
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