Die Braut des Kreuzfahrers
die Menschen drängten und stießen sich gegenseitig, denn jeder wollte die glitzernden Gewänder der Ritter und die schön geschmückten Frauen sehen, die auf Pferden mit goldgesäumten Satteldecken ritten. Vor allem aber versuchten etliche mit großer Verzweiflung, die hölzernen Laden zu berühren, in denen die silbernen Reliquiengefäße auf Polstern von rotem und blauem Sammet getragen wurden. Sie hofften, durch ein Wunder Gottes von ihren Gebrechen erlöst zu werden.
Am Abend der Weihnachtsmesse wollte selbst die große Burghalle kaum für die vielen Gläubigen ausreichen. Man kniete dicht an dicht, und einige waren erzürnt, dass der Burgherr befohlen hatte, auch die Krüppel und Landstreicher in die Halle einzulassen, denn sie rochen schlecht. Auch gab es Schelme unter ihnen, die sich nicht scheuten, die Andacht der Menschen auszunutzen, indem sie sie heimlich bestahlen. Doch Gottfried von Perche war ein frommer Mann, der an diesem Tag niemanden zurückweisen wollte. So wurden nach der Messe, während die Dienerschaft in der Halle die Tafel für die geladenen Gäste aufbaute, im Burghof Speis und Trank an die Armen ausgegeben.
» So prächtig wie es auch unter Rotrou gewesen ist « , sagten die Leute zufrieden. » Gott sei es gedankt, dass der Burgherr sich besonnen hat. Im vergangenen Jahr hätte man glauben können, er wolle den Christtag wie ein Eremit in der Wüste begehen. «
» Nur den Armen hatte er gespendet – keine Prozession, keine Würdenträger, und bei der Messe war er gar nicht dabei. «
» Das war, weil er krank war. «
» Nun ist er gesund, und seine junge Frau zeigt ihm, wie man eine Grafschaft regiert. «
» Schwanger soll sie sein. Gott hat sie gesegnet, und sie wird dem Burgherrn einen Nachkommen gebären. «
» Den wird er gar nicht zu sehen bekommen, weil er doch schon bald ins Heilige Land ziehen will. «
» Hätte ich ein junges Eheweib – keine zehn Ochsen brächten mich so weit fort. «
» Ach was! Habt ihr sie nicht gesehen? Die ist weder schön noch ein verführerisches Weib – und schwanger ist sie obendrein. «
» Eine Hexe soll sie sein. Die Burgmägde lässt sie prügeln bis aufs Blut für die geringste Kleinigkeit. Und ständig muss die Äbtissin von St. Cathérine zu ihr kommen. «
» Geschenke gibt sie ihr, Spenden für ihr Kloster, ein Nonnenhaus lässt sie bauen, und Reliquien hat sie für St. Cathérine einkaufen lassen … «
» Im gleichen Bett haben sie geschlafen, die Burgherrin und die Äbtissin Clara. Das hat mir der Page verraten, denn seine Patin ist die Schwester meiner Schwägerin … «
» Na, von der Äbtissin Clara wird Richenza wohl nicht guter Hoffnung sein … «
Wenige Wochen nach dem Weihnachtsfest wurde die Burg zum Sammelplatz fremder Ritter und Knappen, die dem Ruf des Burgherrn gefolgt waren und mit ihm ins Heilige Land ziehen wollten. Gottfried von Perche war fest entschlossen, sein Gelübde zu erfüllen, zumal Richenza nicht nur gesund, sondern auch guter Hoffnung war. Vor allem ihre Schwangerschaft erschien ihm als ein Zeichen Gottes, denn damit hatte er den Willen seines Vaters erfüllt und einen Nachkommen gezeugt – jetzt war er frei, für das Heil seiner Seele und die Sache der Christenheit ritterlich in den Kampf zu ziehen.
In der Burghalle war es eng geworden, dort hatte man neben den eigenen Rittern und Knappen auch die fremden einquartiert. Bunt bemalte Schilde und Lanzen standen ringsum gegen die Wände gelehnt, auf den Bänken und am Boden waren Strohsäcke oder einfache Decken ausgebreitet, die den Männern als Nachtlager dienten. Wer ein Schwert besaß, trennte sich nicht von seiner Waffe und hielt sie auch im Schlaf dicht am Körper. Einige hatten einen Schlafplatz auf einer Truhe ergattert, was besser war, als am Boden liegen zu müssen. Dort unten konnte man bei dem schwachen Laternenschein leicht getreten werden, wenn jemand aus der Halle ging, um seine Notdurft zu verrichten. Ganz zu schweigen von den Mäusen, die während der Nacht zwischen den schnarchenden Männern umherhuschten, um sich an den Krümeln gütlich zu tun, die von der Tafel gefallen waren.
Gottfried von Perche war voller Ungeduld. Er störte die Schläfer bereits früh am Morgen, während es draußen noch dunkel war. Bereits in wenigen Wochen, bevor das Frühjahr begann, würde man aufbrechen. Bis dahin gab es noch viel zu tun, denn nicht alle Knappen waren im Kampf geübt, zumindest nicht in dem Maß, das Gottfried für erforderlich
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