Die Braut des Kreuzfahrers
Tiessa und sah zu den Masten hinüber, an denen die weißen Segel leblos herabhingen. » Bei günstigem Wind. Ein kleiner Sturm hätte uns rasch dorthin geblasen. «
» Nimm das Wort nicht in den Mund, Tiessa « , rief Beatrice entsetzt und schlug ein Kreuz vor der Brust. » Behüte uns der Himmel vor solch einem Unglück! «
Tiessa lächelte und staunte zugleich, dass sie darüber scherzen konnte, denn die Stürme, die sie erlebt hatten, waren kein Spaß gewesen. Fast alle an Bord, sogar einige der Matrosen, waren Opfer der Seekrankheit geworden. Die Zustände in den Kabinen und im Innenhof waren beklagenswert, viele erbrachen sich gerade dort, wo sie lagen. Die armen Mägde, die selbst sterbenskrank waren, wurden herumgehetzt, um frische Eimer zu bringen, die Polster und Gewänder zu reinigen, saubere Hemden aus den Truhen zu nehmen. Sogar die tapfersten der Ritter wurden nicht verschont. Viele schleppten sich hinauf auf die zinnenbesetzte, hohe Bordwand, spien ins Meer und hockten dann bleich auf dem Wehrgang. Sie wünschten nichts weiter, als ihre Seele dem Herrn zu empfehlen und von diesem grausamen Leiden erlöst zu werden. Auch Tiessa, die von der Krankheit verschont wurde, hatte dort gestanden, das offene Haar im Sturm flattern lassen und an den Masten vorbei zum Bug hinübergestarrt, wo sich graue, schaumgeränderte Wogen wie gewaltige Berge erhoben. Zischend und brüllend wollten sie über das Schiff herfallen, hoben es dann auf ihren Rücken, um es gleich darauf in ein schwarzes, entsetzliches Wellental hinabzuwerfen. Als Jean sich ihr näherte, mühsam gegen den Sturmwind ankämpfend, und die Tochter hinunter zu den Kabinen zerrte, hatte sie sich noch empört gewehrt, denn sie war begeistert von dem großartigen Schauspiel des tobenden Wassers. Doch als wenig später die Brecher über die hohe Bordwand in den Innenhof hineinstürzten, Tische, Hocker und alle Gegenstände zerschlugen und auch die Kabinen unter Wasser setzten, begriff sie, wie gefährlich es dort oben auf dem Wehrgang gewesen war. Gott der Herr hatte die vier Schiffe bisher in allen Stürmen bewahrt, doch drei Ritter und zwei Knechte waren gar jämmerlich in den Wellen umgekommen und etliche Pferde gestorben.
Gottfried von Perche, der ebenfalls mit auf diesem Schiff fuhr, ließ Totenmessen für die unglücklichen Pilger lesen, denen ein nasses Grab zuteilgeworden war, noch bevor sie das Heilige Land erreichten. Man hatte damit allerdings warten müssen, bis sich der Sturm ganz und gar gelegt hatte, denn der Kaplan wurde besonders heftig von der Krankheit geplagt. Auch bei ruhiger See konnte er kaum einen Bissen zu sich nehmen, und seine Stimme war so schwach geworden, dass der Herr von Perche seine Worte laut wiederholen musste, damit alle ihn verstanden. Dennoch las er jeden Sonntag für die Pilger eine Messe und verkündete immer wieder, dass Jesus Christus, der Gebieter über Meer und Wellen, sie alle sicher an Land führen würde.
Eine Magd schleppte sich über den glühend heißen Innenhof. Sie trug in jeder Hand einen kleinen Holzeimer, darin war die Wasserration, die mit Wein gemischt bis zum morgigen Tag reichen musste. Niemand durfte das kostbare Nass zum Waschen benutzen, denn man wusste nicht, wie lange die Flaute anhalten würde. Das Süßwasser wurde in großen Fässern unten im Laderaum aufbewahrt, man brauchte es auch, um die Pferde zu tränken. Wenn man jedoch wochenlang keinen Hafen angelaufen hatte, schmeckte es faulig. Zudem gab es nur noch hart gebackenes Brot und ein wenig Trockenfleisch zu essen. Einen Brei zu kochen hatten die Seeleute verboten, sie fürchteten, das Schiff könne dabei abbrennen.
» Schau, was ich für dich aufbewahrt habe « , flüsterte Beatrice und zog eine kleine, schrumplige Frucht aus ihrem Ärmel. » Iss es rasch auf, damit Vallette es nicht sieht. Sie hat sich neulich schon aufgeregt, dass ich das Obst einer Magd gebe, anstatt es ihr zu schenken. «
» Oh Beatrice – du bist ein Schatz! «
Es war ein Äpfelchen, faltig wie das Gesicht einer alten Frau, und doch war noch Saft und köstliches, säuerliches Fruchtfleisch darin. Tiessa kaute genussvoll jeden kleinen Bissen und sog das Aroma in sich hinein, das sie an kühle, herbstliche Gärten und den süßlichen Geruch des Kellers erinnerte. Zu Hause in Nogent-le-Rotrou, wo die Apfelblüte jetzt schon vorbei war …
» Ich wäre so gern an Land gegangen « , seufzte sie ärgerlich. » In Ostia, ganz nahe bei der heiligen Stadt Rom, wo
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