Die Braut des Kreuzfahrers
beieinander, dass das Sonnenlicht den Boden der Gasse nicht mehr erreichte. Fäulnisgeruch stieg ihr in die Nase. Niedrige, bogenförmige Pforten führten in das dunkle Innere der Häuser. Die Gestalten, die in den Eingängen hockten, sahen abgerissen und schmutzig aus. Ein junger Bursche kam ihnen entgegen, in einen fleckigen Kittel und eine seltsam weite, pludrige Hose gekleidet, ein Dolch steckte in seinem Gürtel. Tiessa erschrak, als sein Blick mit unverhohlener Neugier an ihr haftete, so dreist, wie noch kein Mann gewagt hatte, sie anzustarren. Die Frau ging mit eiligen Schritten voran und schien ein festes Ziel anzusteuern, doch Tiessa zögerte jetzt. Nein, hier sollte sie besser nicht allein und ohne Schutz herumlaufen.
Als sie stehen blieb, drehte sich die Frau um und deutete auf einen der düsteren Eingänge, der Tiessa schwarz und unheilverkündend erschien. Hier würde sie Ambroise gewiss nicht finden, alles musste ein Irrtum gewesen sein. Sie schüttelte energisch den Kopf und wandte sich um – da erstarrte sie.
Hinter ihr standen zwei Männer, ähnlich gekleidet wie der junge Bursche, den sie gerade gesehen hatte. Die Gesichter waren dunkel, doch sie konnte die weißen Zähne des einen Mannes sehen, da er sie angrinste. Es war unmöglich, in der schmalen Gasse an ihnen vorbeizuschlüpfen, und sie versuchte es auch gar nicht. Ihr war klar, dass die beiden nur darauf warteten. Eine Falle, dachte sie entsetzt. Blind und dumm bin ich hineingetappt. Sklavenhändler, Galgenstricke …
» Vater! Ivo! « , schrie sie aus Leibeskräften. » Helft mir! «
Die beiden verständigten sich durch wenige Worte in einer fremden Sprache und drangen auf sie ein. In Panik wandte sie sich zur Flucht, stieß dabei gegen die Frau, die hinter ihr gewartet hatte und nun versuchte, ihr den Weg zu verstellen. Kräftige Arme fassten sie, rissen an ihrem Gewand. Sie verlor die Haube, als sie wie eine Wilde um sich schlug und zappelte und versuchte, sich durch eine rasche Drehung aus ihren Händen zu befreien. Fremde, kehlige Laute rollten wie Murmeln aus Ton an ihren Ohren vorüber, während sie mit dem Rücken gegen die Mauer prallte. Einer hatte ihre Handgelenke umfasst, der andere bückte sich, um ihre Füße zu packen, und brüllte zornig auf, als ihn ein fester Tritt ins Gesicht traf.
» Vater! Ivo! Zu Hilfe! So helft mir doch! «
Eine harte, schweißige Hand legte sich auf ihren Mund, dann sah sie voller Entsetzen, dass die Frau ein großes Tuch entfaltet hatte, in das man sie vermutlich einwickeln würde. Jetzt hatte der Mann auch ihre Fußgelenke umfasst. Sie verlor den Halt, rutschte auf den Boden, sah das verschwitzte, grinsende Gesicht über sich und spürte, dass sie verloren war.
» Dort! Sie haben ein Mädchen. Bei Gott – es ist Jeans Tochter! «
Wessen Stimme war das? Auf jeden Fall waren es französische Worte, und sie war nie zuvor so froh gewesen, ihre Muttersprache zu hören. Jemand näherte sich durch die Gasse. Sie hörte das scharfe, schleifende Geräusch, wie wenn ein Schwert aus der Scheide gezogen wird, und blitzschnell ließen ihre Peiniger sie los.
» Verfluchte Hunde! Satansgezücht! Dreckige Heidenbrut! «
Zwei Ritter stürmten mit blanken Schwertern an ihr vorüber, rüttelten an einem hölzernen Tor und versuchten vergeblich, ihre Gegner zu stellen. Die Burschen waren samt der Frau längst in einem der Hauseingänge verschwunden.
» Tiessa! Bist du verletzt? Haben sie dir etwas angetan? «
Sie raffte sich auf, stützte sich gegen die Mauer, noch benommen von dem entsetzlichen Schrecken und zugleich voller Scham. Vor ihr standen Gilbert Corniac und der Herr von Perche. Letzterer starrte sie mit weit geöffneten Augen an und reichte ihr sogar die Hand, damit sie sich leichter aufrichten konnte.
» Mir ist … es ist nichts … ich habe mich nur erschrocken « , stotterte sie.
» Was tust du hier ganz allein? « , fragte Gottfried von Perche jetzt mit Strenge. » Bist du deiner Herrin etwa davongelaufen? «
» Nein, Herr. Ich war mit … «
Sie stockte, denn es war wohl besser, ihren Vater nicht zu erwähnen. » Ihr habt recht, Herr. Ich bin davongelaufen. Ich wollte Ambroise finden, den Jungen, der vor einiger Zeit bei uns gedient hat … «
Es klang reichlich wirr, und er schien zu dem Schluss zu kommen, dass im Augenblick nicht viel aus ihr herauszubringen war. Gilbert Corniac hatte inzwischen ihre Haube entdeckt und sie mit der Spitze seines Schwerts vom Boden aufgehoben. Wortlos,
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