Die Braut des Kreuzfahrers
der Papst lebt. Aber auch in Neapel, das so schön wie das Paradies war. Weißer Fels und grünende Bäume, das fröhliche Gewimmel am Hafen. Ich konnte sogar die bunten Früchte erkennen, die die Händler aufgestapelt hatten. Und der düstere Berg weit in der Ferne, über dem der Rauch steht … «
» Du bist selbst schuld daran, dass du auf dem Schiff bleiben musstest. «
Tiessa schwieg bedrückt. Die Magd schlurfte an ihnen vorbei in die Kabine, um die Wasserkanne aufzufüllen. Man hörte es gluckern und plätschern, dann beschwerte sich Yolanda darüber, dass die Kanne wieder einmal nicht voll geworden war. Ein schwacher Windstoß hob eine Seite des viereckigen Segels ein wenig an, gleich darauf sank der Stoff wieder kraftlos herab. Über ihnen auf dem Wehrgang knackte das Holz, dort gingen einige Leute auf und ab. Der arme junge Bursche oben auf dem Mast im Krähennest musste schon halb verbrannt sein. Hart und blau wölbte sich der Himmel über ihnen, eine kleine Sonne schwamm darin wie ein boshafter Feuerball.
Seitdem Tiessa in Marseille um ein Haar verschleppt worden wäre, hatte Gottfried von Perche ihr jede Eigenmächtigkeit streng untersagt, eine Anordnung, die sowohl ihr Vater Jean als auch Yolanda von Villeneuve sehr unterstützten. Besonders Yolanda hatte ein waches Auge auf ihre Magd, in Marseille hatte Tiessa das Quartier nur ein einziges Mal in Begleitung ihrer Herrin verlassen dürfen. In den Häfen jedoch hatte Tiessa wie die meisten anderen Passagiere auf dem Schiff zu bleiben. So stand sie mit blutendem Herzen oben auf dem Wehrgang, blickte sehnsuchtsvoll auf die verlockenden Berglandschaften, die felsigen Küsten, die Ortschaften, wo weiße und ockerfarbene Häuser wie kleine Würfel dicht nebeneinander klebten, und beneidete die Ritter und Frauen, die sich an Land rudern ließen, um dort Früchte, Gemüse und Brot zu kaufen. Noch schlimmer war es, als sich die kleine Flotte in einem Sturm nach Messina rettete und man dort zwei Tage im Hafen ausharren musste, denn zwei der kleineren Boote hatten Schäden davongetragen. Alle – sogar die Seeleute – waren an Land gegangen, nur Tiessa musste bei der alten Godvere zurückbleiben, um sie zu versorgen. Zusätzlich plagte sie das schlechte Gewissen, da Gottfried von Perche nicht nur ihren Vater für ihr Davonlaufen verantwortlich machte, sondern vor allem Ivo Beaumont dafür bestrafte. Ivo hatte alle Schuld auf sich genommen, er habe Jean durch seine Reden abgelenkt und selbst nicht auf Tiessa geachtet. Nur so sei es möglich gewesen, dass sie in der Menge verschwand. Er habe versprochen, Jeans Tochter zu schützen, und dabei kläglich versagt. Der Herr von Perche hatte ihm daraufhin befohlen, Schwert und Sporen abzulegen und von nun an als einfacher Fußkämpfer zu dienen. Ivo hatte die Strafe schweigend angenommen, er wurde einem der drei kleinen Boote zugeteilt und wäre im Sturm vor Messina fast ums Leben gekommen.
» Woran denkst du? « , fragte Beatrice. » Vielleicht gar an den hübschen Ritter, der um deinetwillen zum Knecht gemacht wurde? «
Tiessa drehte den Kopf und sah sie vorwurfsvoll an, doch Beatrice hatte den Schleier vor ihr Gesicht gezogen, und so konnte Tiessa nicht sehen, ob sie lächelte.
» Gewiss nicht « , schwindelte sie.
» Mir scheint, er benahm sich ritterlich, vermutlich ist er sehr in dich verliebt. «
Tiessa blinzelte in die Sonne hinein, schloss dann die Lider und sah helles gelbrotes Licht vor Augen.
» Ich bin keine adelige Dame, und Ivo Beaumont ist kein Ritter, Beatrice. Die hohe Minne ist ein Spiel, das an den Höfen getrieben wird, für die Tochter eines Verwalters hat sie keinen Wert. «
» Er gefällt dir also nicht « , stellte Beatrice geduldig fest. » Wie schade. «
Tiessa war froh, dass in diesem Augenblick zwei Männer vom Wehrgang hinunterstiegen und sie Beatrice deshalb die Antwort schuldig bleiben konnte. Der Herr von Perche sah recht verändert aus. Er trug keine Beinlinge unter dem ärmellosen Gewandrock, und man konnte sehen, dass seine langen Gliedmaßen zwar schlank, aber dennoch recht sehnig waren. Neben ihm schritt Jean einher, den die Sonne und die Anstrengungen der Seereise ausgezehrt hatten. Sein Haar war jetzt weiß, die Haut faltig und gebräunt, die Augen schienen tiefer in sein Gesicht eingesunken zu sein, und doch leuchteten sie zugleich heller.
Gottfried von Perche grüßte Beatrice von Chenet mit einer leichten Verbeugung, dann ging er zum Bug hinüber, wohl um mit dem
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