Die Braut des Kreuzfahrers
Kreuzfahrern glühend heiß. Tiessa lehnte erschöpft an der hölzernen Bordwand und fragte sich, weshalb die Sonne, die man in der Heimat stets als Spenderin allen Lebens gesehen hatte, den Menschen im Heiligen Land so feindselig gesinnt war. Wie viel sanfter und liebevoller war der Mond, der ihr hier unsagbar groß und hell aussah und manchmal eine leicht rötliche Färbung annahm, wie das Antlitz eines lebendigen Menschen.
» Siehst du dort das helle Gebirge? Es verläuft quer zur Küstenlinie, so als habe sich dort ein gewaltiges Tier niedergelegt. Der schmale Küstenstreif vor den Felsen – das ist die Steige von Tyros. «
Sie wandte den Kopf und blinzelte gegen die Sonnenstrahlen. Ivos Gesicht war gebräunt wie das eines Sarazenen, auch hatte er ein weißes Tuch um den Kopf geschlungen, um sich vor der Hitze zu schützen.
» Die Steige von Tyros? Dann ist Akkon ja noch weit! «
» Nicht so weit, wie du glaubst. Soll ich dir einen Becher mit Wasser holen – du siehst erschöpft aus, Tiessa. «
Sie schüttelte den Kopf und behauptete, es würde schon gehen, sie müsse sich einfach an die Hitze gewöhnen.
» Ich tue es gern « , sagte er und beugte sich ein wenig zu ihr hinüber, um leiser sprechen zu können. » Du kannst immer auf mich zählen, Tiessa. Ich will für dich sorgen und dich schützen, soweit ich es vermag. Auch wenn ich jetzt weder Schwert noch Ross besitze und wie ein Knecht mit dem Spieß kämpfen muss. «
» Ich danke dir. «
Sie wandte sich ab, denn sie wollte das Gespäch so rasch wie möglich beenden. Ivo Beaumont hatte sie belogen und verlassen – sie hatte geglaubt, dass in ihrem Inneren nichts außer Verachtung für ihn geblieben sei. Doch sie hatte sich getäuscht. Ganz tief in ihrem Herzen lebte immer noch die Erinnerung an die süße Lust in seinen Armen, eine dumme, beschämende Sehnsucht nach seinen Küssen, seiner weichen Stimme, dem männlichen Duft seines ledernen Jagdrocks. Oh Gott – sie hatte nach ihm gerufen, als die Piraten das Schiff überfielen. Wie war das nur möglich gewesen? Wie konnte man sich nach einem Mann sehnen, den man bei klarem Verstand verabscheuen musste?
Zum Glück schob er sich jetzt durch die dicht an dicht stehenden Pilger zum Heck hinüber. Vermutlich wollte er trotz ihrer Ablehnung einen kühlen Trunk für sie holen.
Wozu noch, dachte sie. Wir müssen bald in Akkon sein.
Es war mühsam gewesen, Gepäck, Zelte und Lebensmittel, vor allem auch die armen Pferde noch einmal einzuschiffen. Sie fuhren jetzt auf zwei Booten, die die Garnison in Tyros ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Die Handelsschiffe, mit denen sie gekommen waren, hatten längst wieder andere Fracht aufgenommen und segelten gen Norden. Wie seltsam, dass die Stadt Tyros trotz der Bedrohung durch die Sarazenen voller Händler war, die Seide, Gewürze und allerlei kostbare Waren ankauften, um sie über das Meer nach Europa zu befördern. Ahnungslos, wie sie war, hatte sie gefragt, weshalb man denn nicht zu Land entlang des Küstenpfades nach Akkon gelangen könne, schließlich war man lange genug auf dem Meer gefahren. Dies sei viel zu gefährlich, hatte Jean ihr erklärt. Saladins Späher hätten sie dort rasch ausgemacht, und der Sultan würde gewiss verhindern wollen, dass die Christen vor Akkon Verstärkung erhielten. Auch auf See war Vorsicht geboten, doch war man auf dem Meer immer noch sicherer als an Land.
Die beiden Schiffe waren nicht groß, und daher herrschte eine quälende Enge an Bord. Die meisten Ritter trugen Kettenpanzer und Schwert, auch Lanzen und Schilde lagen bereit, da man an den feindlichen Linien vorbeisegeln würde, um zu den christlichen Kämpfern vor Akkon zu gelangen. Wie man hörte, lagerten Saladins Kämpfer in einiger Entfernung von den Kreuzrittern, beobachteten genau, was sie unternahmen, und fielen ihnen immer wieder in den Rücken, um die Christen daran zu hindern, die Stadt einzunehmen.
» Ist es denn klug, den schweren Kettenpanzer zu tragen, wenn Saladin uns auf See angreifen sollte? «
Ihr Vater hatte auf ihre vielen Fragen schließlich keine Antwort mehr gegeben, er war müde und litt wie alle anderen unter der Hitze. Außerdem war er der Meinung, dass Tiessa sich allzu viele Gedanken um Dinge machte, die nicht Sache einer Frau waren. Sie hatte überlegt, wen sie mit ihren Fragen behelligen könnte, doch es war ihr niemand eingefallen. Kaum einer der adeligen Ritter hätte sich auf ein Gespräch mit ihr eingelassen. Obgleich inzwischen
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