Die Braut des Kreuzfahrers
Zugleich umgab sie ein seltsames Gewirr von hellen und dunklen Stimmen, das anschwoll und wieder verging, Gemurmel, Gelächter, dann wieder schienen es Töne zu sein, wirre Melodien, auf der Leier oder Fidel gespielt. Jemand sang …
Sie fuhr auf dem Lager hoch, ihr Herz hämmerte, ihr ganzer Körper war mit Schweiß bedeckt. Keuchend fuhr sie sich mit der Hand über die Stirn, riss sich das Tuch von den Haaren und blinzelte ins Licht der Laterne. Was für ein scheußlicher Alptraum!
21
Y olanda war nicht zu sehen, doch neben Tiessas Lager stand eine Schale mit Getreidebrei, der bereits eine harte Haut bekommen hatte, dazu eine hellrote Frucht, die einem Apfel ähnelte, und ein Krug mit gewässertem Wein. Waren Yolanda und Beatrice noch im Zelt der burgundischen Damen? Tiessa trank einen Schluck, dann lauschte sie wieder hinaus, doch jetzt war die Stimme nicht mehr zu hören. Sie zögerte, drehte das Äpfelchen in den Händen herum, biss hinein und fand darin unzählige, kleine Kerne, die von wohlschmeckendem Fruchtfleisch umgeben waren.
Der Wind trug die Klänge einer Laute heran, die Singstimme jedoch war die einer Frau. Dennoch war sie sicher, vorhin einen Sänger gehört zu haben. Unschlüssig legte sie die Frucht beiseite und erhob sich. Sie schlug den Trennvorhang zurück und stellte fest, dass auch hier nur eine einsame Laterne brannte – die Magd war ebenfalls verschwunden. Hatte sie die Abwesenheit ihrer Herrin genutzt, um eigene Wege zu gehen?
Durch die Ritzen des Eingangsvorhangs drang kein Tageslicht, nur hie und da leuchtete rötlich gelber Schein wie von einem Feuer auf – hatte sie vielleicht gar den ganzen Tag verschlafen? Entschlossen schob sie das Tuch beiseite und stellte fest, dass es bereits Nacht war. Überall im Lager glommen oder flackerten Feuerstellen, es roch nach angebranntem Getreidebrei, frischem Brot, sogar nach gebratenem Fleisch. Neben dem Zelteingang saß ein Knappe, der an einem harten Brotkanten nagte und dazu aus einem Becher trank. Vermutlich hatte er die Aufgabe, das Zelt der Frauen aus dem Perche zu bewachen.
» Bertran? «
Sie hatte ihn zuerst nicht erkannt, denn er hatte sich in einen weiten, zerschlissenen Mantel eingewickelt, den er auch über den Kopf gezogen hatte, sodass nur das Gesicht frei blieb.
» Herrin! « , flüsterte er erschrocken. » Ich habe Euch nicht kommen hören. «
» Ich bin nicht deine Herrin « , tadelte sie kopfschüttelnd. » Ich bin eine Magd, weiter nichts. «
Er blickte sie mit seinen großen Augen an und erschien ihr plötzlich trotz seiner Jugend wissend wie ein Greis und voller Trauer.
» Euer Vater hat Euch besucht, doch Ihr habt fest geschlafen und er wollte Euch nicht aufwecken. Die adeligen Herrinnen sind drüben im Zelt der Damen aus Burgund, sie lassen ausrichten, dass sie Euch erwarten. «
Nachdenklich erzählte er dann, wie reich die burgundischen Adelsfrauen seien, sie hätten sogar Zuckerwerk aus Messina und süße Früchte mitgeführt und ihre Hauben seien mit Silberfäden, Edelsteinen und Perlen bestickt. Zugleich seien sie jedoch sehr fromm und beteten täglich unter Tränen für die Befreiung der Heiligen Stadt von den Heiden.
Unweit des Zeltes saßen Kämpfer um die glimmenden Feuer. Sie redeten leise miteinander, einige hatten sich schon zum Schlaf ausgestreckt. Der alte Maulesel kaute bedächtig an einer verdorrten Distel. Von Osten wehte der Wind Lautenklänge und Gesang herüber, auch grobes Lachen aus männlichen Kehlen. Es klang ausgelassen, ja übermütig, und zugleich erschien es ihr irrwitzig. Dort drüben lag Akkon, eine düstere Silhouette vor dem sternenbesetzten Nachthimmel, und auf der anderen Seite wartete Sultan Saladin auf den rechten Augenblick, die christlichen Ritter zu überfallen.
» Wer singt dort? «
Bertran warf einen scheuen Blick in die Richtung, aus der die Klänge kamen, dann seufzte er tief und bekümmert.
» Das sind schlechte Leute, Herrin. Unwürdige, sündige Menschen, die Gottes Gebote nicht achten. Es ist schlimm, dass sie sich hier bei den christlichen Rittern aufhalten, denn möglicherweise ziehen sie Gottes Zorn auf uns alle. «
Damit konnte sie nicht allzu viel anfangen, doch langsam kam ihr die Vermutung, dass es im christlichen Lager vor Akkon Vergnügungen gab, die der fromme Gottfried von Perche seinen Pilgern streng untersagt hatte.
» Aber weshalb verbieten es die Heerführer dann nicht « , meinte sie unsicher. » Vor allem der französische König … «
» Ich
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