Die Braut des Kreuzfahrers
Beatrice empört. » Muss er ein schöner Mann sein, um einen guten Feldherrn abzugeben? «
» Natürlich nicht! Aber Fulco hat mir erzählt, dass Philipp noch keinen einzigen wirklichen Angriff unternommen hat, seit er hier angekommen ist. «
Tiessa musste das Lachen unterdrücken, denn Yolanda hatte in ihrer Erregung mit den Armen gewedelt und dabei die Laterne getroffen, die an einer Kette herabhing. Fast schien es, als wolle ihre Herrin gleich selbst vor die Mauern von Akkon ziehen, um den Rittern zu beweisen, was Mut und Tatkraft waren.
» Du wirst noch das Zelt in Brand stecken! « , seufzte Beatrice und fasste rasch nach der hin und her pendelnden Lichtquelle, um sie wieder in die Ruhestellung zu bringen.
Draußen waren jetzt psalmodierende Gesänge zu hören, sie kamen aus den Zelten der Templer, die ihre Gebete zum Morgenlob des Herrn verrichteten. Es klang dumpf und ein wenig rau, dennoch erfüllte es Tiessa mit Zuversicht. Die Tempelherren waren gottgefällige Kämpfer, denen der Herr ganz sicher den Sieg über die Heiden schenken würde.
» Flicht mir jetzt das Haar, Tiessa, damit mich diese Wolle nicht mehr im Gesicht kitzelt « , knurrte Yolanda.
» Das ist keine Wolle – Ihr habt schönes Haar, das wie blankes Gold in der Sonne glänzt! «
» Du bist eine Schmeichlerin, Mädchen « , sagte Yolanda.
Lächelte sie? Tiessa versuchte, in Yolandas Zügen zu lesen, doch es war schwer. Vielleicht war da ein winziges Grinsen in den kleinen Fältchen rechts und links des Mundes? Dass man aus dieser Frau doch niemals schlau wurde. Tiessa hatte sich oft gefragt, wie Yolanda wohl mit ihrem Ehemann zurechtkam, da die beiden sehr gegensätzlich waren. Fulco von Villeneuve war von schmächtigem Wuchs, hatte schütteres graues Haar und leicht krumme Beine, was vielleicht davon kam, dass er ein hervorragender Reiter war. Fulco war schweigsam, vielleicht auch schüchtern, doch er schien seine Frau zu schätzen, denn er hatte sie während der Überfahrt hin und wieder aufgesucht, um mit ihr zu sprechen. Zu anderen Dingen, so wie Beatrice’ Ehemann es gelegentlich getan hatte, besuchte Fulco Yolanda niemals.
» Dieses Tuch, das du um den Kopf gewickelt hast, steht dir gut zu Gesicht, Mädchen « , bemerkte Yolanda, und ihre Hand berührte dabei Tiessas Stirn. » Du schaust damit fast aus wie ein junger Knappe. «
Beatrice brach in ein heftiges Lachen aus, bei dem sie sich verschluckte und husten musste. Tiessa wurde rot über solchen Spott, sie fand, dass Yolanda mitunter sehr verletzend sein konnte.
Der Duft von frisch gekochtem Getreidebrei zog in das Zelt – die Magd hatte dieses Mal nicht gesäumt und bereitete schon die Morgenmahlzeit. Sie war einfach und bestand nur aus etwas Brei mit Kichererbsen, dazu getrocknete Früchte und Essigwasser. Tiessa fühlte sich schläfrig, nachdem sie gegessen hatte, und sie war recht froh, dass Yolanda und Beatrice sie nicht in das Nachbarzelt mitnehmen wollten. Dort waren drei adelige Damen aus Burgund samt ihrer Dienerschaft untergebracht, die mit dem Heer des französischen Königs gereist waren. Tiessa ließ den Vorhang wieder über den Zelteingang fallen, damit Hitze und Staub nicht allzu sehr eindrangen, dann legte sie sich auf ihren Polstern zurecht. Trotz des immer heftiger werdenden Lärms, des Stimmengewirrs, Scharrens, Klopfens, des Pferdegewiehers und des hellen Klingens eines Schmiedehammers war sie bald fest eingeschlafen.
Es war ein erquickender Schlaf, der ihr das blaugrüne Wasser eines runden Teichs zeigte, so durchsichtig, dass sie die weißen Kiesel auf seinem Grund sehen konnte. Ein Wasserfall rieselte in glitzernd kühlen Fäden vom Berg herab, lindgrüner Farn und zarte Gräser wuchsen aus bräunlichem Felsgestein, gelbe und rosige Blüten reckten sich aus winzigen Spalten heraus, und über dem Wasserfall wölbte sich der vielfarbige Regenbogen.
Erst später wurde sie von Unruhe ergriffen. Sie wälzte sich hin und her, glaubte, harte Stricke zu spüren, die sich um sie legten, und düstere Fantasien begannen sie zu quälen. Sie meinte, wieder in Marseille zu sein, wo sie wider Willen jener schönen Frau folgte, die sie in die Irre geführt hatte. Sie sah sich erneut in der düsteren Gasse und versuchte verzweifelt, sich umzuwenden, um davonzulaufen. Doch ihre Füße gehorchten ihr nicht, sie blieb wie festgebannt auf dem Pflaster stehen. Schattenwesen ohne Gesichter glitten an ihr vorüber, streiften sie, fassten ihr Gewand und rissen daran.
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