Die Braut des Kreuzfahrers
Tiessa! Wo steckst du? « , rief es hinter ihr.
Beatrice schlug den Vorhang vor dem Zelteingang zur Seite und blinzelte in die Sonne, die inzwischen nicht mehr goldfarben, sondern hell und gleißend vom Himmel herabbrannte.
» Ich habe es schon gestern Abend gewusst « , meinte sie lächelnd. » Du hast ruhig geschlafen, und das Fieber war nur noch schwach. Ich bin so froh, dass du wieder gesund bist! «
Sie wandte sich um und rief ärgerlich nach ihrer Magd. Sie solle den Eimer nehmen und Wasser holen. Ob sie den Tag im Zelt verschlafen und ihre Herrin hungern und dürsten lassen wolle?
» Lass mich gehen « , bot sich Tiessa an.
» Auf keinen Fall – du sollst dich ausruhen. Gestern noch hast du uns von fliegenden Reitern und seidenen Wimpeln erzählt, die du im Fieber vor dir gesehen hast! «
Es tat Tiessa leid, dass die junge Magd die ganze Arbeit allein verrichten musste, doch die stapfte gleichmütig mit dem Eimer davon und schien den Weg bereits recht gut zu kennen.
» Und schwatz nicht so viel herum, dort bei den Knechten! « , rief Beatrice ihr nach.
Seufzend zog sie den Schleier, den sie unter der Haube trug, weiter ins Gesicht hinein und meinte, dass sie sich in dem Mädchen wohl getäuscht habe, denn sie sei ihr ehrbar erschienen. Gestern jedoch sei sie beim Wasserholen verdächtig lange ausgeblieben, und als sie zurückkam, habe sie nur dummes Zeug erzählt, was ihr niemand glauben konnte.
» Geh besser hinein, Tiessa « , sagte sie dann fürsorglich und legte ihr den Arm um die Schultern. » Es wird wieder heiß werden, und auch wenn du dieses Tuch um den Kopf gewickelt hast, so könnte die Hitze dir doch schaden. «
Yolanda saß nur mit dem Hemd bekleidet auf ihrem Lager, hatte auch die schöne, gestickte Haube abgelegt und kämmte ihr Haar.
» Ausgeflogen ist das Vögelchen! « , empfing sie Tiessa unfreundlich. » Tage und Nächte haben wir uns gesorgt – kaum geht es ihr wieder gut, da springt sie davon wie ein Zicklein auf der Weide. «
» Es tut mir leid! «
Beatrice lachte über Yolandas Schelten, Tiessa jedoch hockte sich rasch zu ihrer Herrin und nahm ihr den Kamm aus der Hand. Vorsichtig strich sie damit durch Yolandas wolliges Haar, hielt rasch inne, um sie nicht zu ziepen, und löste die allzu zerzausten Löckchen mit den Fingern.
» So ist es schon besser « , murmelte Yolanda. » Nun – hast du dir die Ritter vor Akkon angeschaut? Hast du auch die großen Steinschleudern gesehen? Hübsche Namen tragen sie. Das scheußliche Ding, das unser König hat bauen lassen, nennen sie ›die böse Nachbarin‹, und eine andere heißt ›Gottes Höchsteigene Schlinge‹. Wie findest du das? «
Tiessa zupfte an einer hartnäckigen Verknotung herum und meinte nur vorsichtig, dass diese Geräte gewiss sehr gefährlich seien.
» Lächerliche Spielzeuge sind es. Sie werfen Steine über die Mauern in die Stadt hinein, das ist alles. Wenn das so weitergeht, werden die Befestigungen bis zum Jüngsten Tag stehen und nicht einmal einen Kratzer abbekommen. «
» Der französische König berät sich mit seinen Vasallen « , erzählte Tiessa und kam sich sehr wichtig dabei vor. » Sicher werden sie bald einen richtigen Angriff auf die Stadt unternehmen. «
Yolanda fuhr sich probeweise durch das Haar und schnaubte dann verächtlich.
» Seit wir hier sind, haben sie sich jeden Morgen beraten, und nichts kam dabei heraus. «
Beatrice hatte die Eingangsvorhänge beiseitegebunden, damit ein wenig Tageslicht in das Zelt fiel, das von einer kleinen Hängelampe nur ungenügend ausgeleuchtet wurde. Dann hatte sie sich auf Tiessas Polster gesetzt und kopfschüttelnd zugehört, was Yolanda zu schelten hatte.
» Du erinnerst mich immer mehr an Godvere « , sagte sie vorwurfsvoll. » Die hatte auch stets etwas zu nörgeln. Die Schuld an der Verzögerung trägt allein der englische König, der immer noch nicht vor Akkon erschienen ist. «
» Das ist doch nur eine feige Ausrede! « , rief Yolanda mit Leidenschaft. » Wo sind die tapferen Kreuzritter, die ihr Leben wagen, um die Stadt einzunehmen? Sie sitzen im Lager herum oder vergnügen sich damit, ein paar Steinchen zu schleudern. Hast du dir unseren König angesehen? Freilich, man erkennt ihn kaum, denn er kleidet sich nicht wie ein Herrscher, dazu steht ihm das schwarze Kopfhaar in alle Richtungen, sodass man ihn für einen Bauern halten könnte. Der Ärmste soll sogar auf einem Auge blind sein … «
» Was hat das damit zu tun?«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher