Die Braut des Kreuzfahrers
weiß es nicht, Herrin « , gab Bertran zurück und biss ein Stück von seinem Brot ab. Es knackte, denn das Brot war sehr trocken und er hatte viel daran zu kauen. » Vielleicht kann es Euch Ivo Beaumont sagen, er scheint mehr darüber zu wissen. «
» Ivo? «
Bertran nickte kauend und bemerkte dann, dass Ivo Beaumont bei Tag und Nacht im Lager unterwegs sei und sich überall gut auskenne.
» Aber … aber er hat doch das Zelt bewacht. Zumindest hat er das behauptet. «
Bertran gab darauf keine Antwort, vermutlich wollte er Ivo nicht Lügen strafen. Doch Tiessa konnte an seiner Miene ablesen, dass er es besser wusste.
War sie enttäuscht? Nein, sie hatte geahnt, dass sie diesem Menschen nicht trauen durfte. Ivo Beaumont konnte so edelmütig und treuherzig wirken, und zugleich war er doch ein Lügner. Sie lief einige Schritte in die Richtung, in der das blaue Zelt der edlen Damen aus Burgund stand, das von einer kuppelartigen Haube überspannt und höher als die übrigen Zelte war. Doch sie ging nicht hinein, sondern bog kurz davor in die entgegengesetzte Richtung ab, suchte sich ihren Weg zwischen allerlei herumliegenden Gegenständen, schob die angepflockten Pferde zur Seite und wäre fast auf einen schlafenden Mönch getreten, der hinter einem Häuflein Brennholz lagerte. Wenn sie an einem Feuer vorüberging und der Flammenschein auf sie fiel, drehten sich die dort sitzenden Männer hin und wieder um und redeten sie an.
» Wo läufst du denn hin, du Hübsche? «
» Setz dich zu uns, wir beißen dich nicht. «
» Wir sind raue Kämpfer, aber mit den Weibern sind wir zärtlich. «
» Unsere Lanzen spießen das Ringlein auf den ersten Streich. «
» Auf den zweiten und dritten erst recht … «
» So wie der Bock die Ziege stößt … «
Man lachte hinter ihr her, wenn sie erschrocken davoneilte. Einmal lief ihr ein Bursche nach, und sie entwischte ihm nur, weil er über einen Kochkessel stolperte und sie so Zeit hatte, sich rasch hinter dem Zelt eines adeligen Herren zu verbergen. Schwer atmend stand sie an die Zeltplane geschmiegt und hoffte, dass sie ihren Verfolger abgeschüttelt hatte. Zugleich zitterte sie vor Entsetzen über die groben Beleidigungen. Sicher – auch unter den Pilgern aus dem Perche hatte es manchmal solch sündige Reden gegeben, vor allem dann, wenn der Herr weit fort war und sie nicht hören konnte. Doch nie zuvor war sie selbst Ziel dieser zotigen Worte gewesen.
Sollte sie nicht besser umkehren und sich in den Schutz der adeligen Frauen und ihrer Bewacher begeben? Vor dem Zelt der Burgunderinnen hatten gleich mehrere Wächter gestanden – jetzt erst begriff sie, weshalb dieser Schutz notwendig war.
Doch in diesem Augenblick vernahm sie den Gesang wieder, und ohne dass sie sich dessen bewusst wurde, löste sie sich aus ihrem Versteck und bewegte sich in die Richtung, aus der die Klänge kamen. Es war waghalsig, was sie da tat, aber sie wollte endlich die Wahrheit wissen. Wenn Ivo Beaumont sich dort sündigen Vergnügungen hingab, dann würde ihr das zwar wehtun, aber es würde ihr auch den Seelenfrieden zurückgeben.
Hinter den Zelten tauchte jetzt der Wall auf, mit dem man das Lager umgeben hatte, eine grobe Aufschüttung von Steinen und Erdreich, eher breit als hoch, und wie ihr schien nur ein notdürftiger Schutz gegen einen Angriff. Allerdings gab es auf der anderen Seite einen Graben, den die Feinde erst einmal überwinden mussten. Sie konnte zwei Wächter erkennen, die dicht nebeneinander auf dem Erdwall saßen und in die Nacht hinausstarrten. Man musste gewiss scharfe Augen und noch bessere Ohren haben, um das Lager zu bewachen, denn hier dicht am Wall brannten die Feuer hell, Musik und lautes Gelächter übertönten jedes andere Geräusch.
Langsam schritt sie weiter und versuchte, im Schatten der Zelte zu bleiben, denn die Leute, die hier an den Feuerstellen saßen, waren ihr unheimlich. Hieß es nicht, ein Pilger solle sich des Spielens enthalten? Hier wurde eifrig gewürfelt, Frauen in bunten Gewändern saßen zwischen den Kämpfern, gingen auch umher und füllten ihnen die Becher mit Wein. Dazwischen liefen halbwüchsige Kinder herum, warfen Murmeln und stritten miteinander. Eine der Frauen hielt einen Säugling auf dem Schoß, während sie mit der freien Hand einen zudringlichen Burschen abwehrte. Scheu blickte Tiessa hinüber und mochte kaum glauben, was sie sah. Diese Frauen trugen Kleider, die ihnen weit über die Schultern fielen und fast die ganze Brust sehen
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