Die Braut des Kreuzfahrers
ließen. Hatte nicht die Mutter erzählt, dass solche Gewänder am Hofe der Königin Eleonore üblich gewesen seien? Sehr höfisch sahen die Frauen dort drüben allerdings nicht aus, einige trugen das Haar offen, sodass ihnen die Strähnen vors Gesicht fielen, andere hatten grellbunte Hauben aufgesetzt, und im Feuerschein sah man, dass ihre Gesichter dick mit Schminke bemalt waren. Auch das scharfe Lachen und die weit ausholenden Gesten schienen Tiessa nicht zu adeligen Damen zu passen, und schon gar nicht die Tatsache, dass sie den Männern gestatteten, ihre bloßen Schultern zu berühren oder ihnen gar den Rock hochzuheben, um ihre Waden und Knie anzufassen. Vorsichtig schlich sie an einem Teppich vorüber, den man als Sichtschutz aufgehängt hatte. Dahinter stand ein Wagen, der mit Tüchern überspannt war, sodass man nicht ins Innere hineinsehen konnte …
» Es kostet einen Silberpfennig, mein tapferer Held. Und der ist im Voraus zu entrichten, sonst bekommst du gar nichts … «
Tiessa erschauerte, als sie die tiefe, ein wenig heisere Stimme der Frau vernahm. Im Wagen war jetzt leises Kichern zu hören, dem gleich darauf ein tiefes Grunzen folgte.
» Wenn du mir das Hemd zerreißt, kostet das extra! «
» Halt endlich das Maul, du Hure – ich hab dich bezahlt! «
Es gab keinen Zweifel mehr – dies waren Huren, die sich den christlichen Kämpfern für Geld anboten. Wie konnte das sein? Hatten nicht alle Kreuzfahrer gelobt, nach den Regeln der Pilgerschaft zu leben? Waren das also nur Lippenbekenntnisse und falsche Schwüre gewesen? War am Ende auch der Herr von Perche solch ein Lügner?
Hatte der Vater ihr deshalb gesagt, dies sei kein Ort für eine Frau? Oh, er hatte sich geirrt. Es gab jede Menge Frauen hier im Lager der christlichen Ritter. Nur die ehrbaren Frauen, die konnte man wohl an einer Hand abzählen.
Wenige Schritte nur, dann erblickte sie die Musiker dicht neben einem kleinen Feuer, das schon fast niedergebrannt war. Konnte das möglich sein? Da war sie, die schöne Fremde, die falsche Schlange, die sie damals in Marseille in die Irre geführt hatte. Sie saß am Boden, das rote Gewand weit um sich herum ausgebreitet. Die goldenen Münzen an ihrem Stirnband glänzten, wenn sie den Kopf bewegte, und in ihrem Schoß hielt sie eine Laute. Neben ihr stand ein älterer Mann, der ein bodenlanges Gewand aus gelbem und weißem Stoff trug. Auf seinem Kopf saß ein merkwürdiger, topfförmiger Hut von roter Farbe, von dessen Mitte eine schwarze Schnur herunterbaumelte. Das graue Haar quoll dicht unter dem Hut hervor und legte sich in schönen Locken bis auf die Schultern, seine Augen schienen dunkel und fremd.
Ambroise hockte neben der Schönen am Boden. Um ihn herum verteilt lagen flache Trommeln, Flöten und allerlei Schellenwerk, wie es die Gaukler besaßen. Er hatte den Kopf gesenkt und hielt eine hölzerne Schale, die voller Münzen war. Ambroise, der einst fest geglaubt hatte, dass Goldstücke vom Himmel fallen könnten, zählte eifrig die silbernen Münzen.
Tiessas Herz schlug so rasch, als wolle es aus ihrer Brust davonflattern. Was würde geschehen, wenn sie jetzt seinen Namen rief? Wer würde ihr beistehen, wenn die Frau und ihr Gefährte sie überfielen und in eines der Zelte schleppten? Ambroise? In Marseille zumindest hatte er ihr nicht geholfen …
In diesem Augenblick hob er den Kopf, warf mit einer ruckartigen Bewegung die schwarzen Ringellocken aus der Stirn und starrte angespannt in ihre Richtung. Dann formten seine Lippen einen Namen.
» Tiessa? «
Sie blieb unbeweglich stehen, erschrocken, dass es nun unwiderruflich war, denn er hatte sie erkannt. Langsam erhob er sich aus der Hocke, stellte die Schale mit den Münzen ab und ging ein paar Schritte auf sie zu, blieb jedoch in gebückter Stellung, als schliche er sich an ein schlafendes Wild heran. Sie sah, wie die Schwärze in seinen Augen glitzerte.
» Tiessa! Komm her. Ich sehe dich doch. Nun komm schon! «
Es klang leise und zärtlich, so wie man ein Hühnchen herbeilockt, und Tiessa dachte für einen Augenblick daran, rasch davonzulaufen. Als er dicht vor ihr stand, richtete er sich auf. Ambroise war ein gutes Stück gewachsen, er überragte sie jetzt um einen ganzen Kopf.
» Was für ein verrücktes Mädchen du bist! « , sagte er und lachte, dass seine weißen Zähne glänzten. » Du bist wohl gar auf der Suche nach deinem Ehemann? «
» Ich? Nach meinem Ehemann? « , stammelte sie. » Aber nein – ich habe dich
Weitere Kostenlose Bücher