Die Braut des Nil
sie nicht. Sie war
überzeugt, dass die von Kamose benutzten Ausdrücke heftiger waren als seine
wahren Gedanken.
Sie verehrte ihren Vater, und
sie liebte Kamose. Sie würde mit aller Kraft darum kämpfen, das unermessliche
Glück, das die Götter ihr gerade geschenkt hatten, nicht zu verlieren.
»Gib dich
nicht deinem Zorn hin. Er verdunkelt das Herz.
Mein Vater
ist der aufrichtigste aller Richter. Jeder kann dir das bezeugen.«
»Bist du
wirklich sicher, Nofret? Könntest du es mir schwören?«
»Ich schwöre
es bei meinem Leben und bei unserer Liebe.«
Kamose
beruhigte sich. Er konnte keine bessere Gewissheit erhalten als die, die ihm
Nofret soeben gegeben hatte.
»Du musst die
Wirklichkeit anerkennen«, riet sie ihm traurig. »Das Kataster hat sich nicht
geirrt. Seine Meinung ist Gesetz.«
»Die
Wirklichkeit… Wie sollte ich anerkennen, dass meine Eltern dazu verurteilt
sind, den Rest ihres Lebens wie Sklaven zu leben?«
»Komm mit mir
zum Palmenhain«, flehte Nofret.
Den Tränen
nah willigte Kamose ein.
»Ich liebe
dich, Kamose. Auch das ist die Wirklichkeit.«
»Eine so
schwache Wirklichkeit, dass sie dazu bestimmt ist, zu verschwinden«, bemerkte
der junge Mann. »Dein Vater hält mich für einen Geschichtenerfinder. Er wird
unserer Heirat nie zustimmen.«
»Nicht er
trifft eine solche Entscheidung. Ich wähle mir meinen Mann. So lautet das
Gesetz.«
»Ich weiß,
Nofret, aber trotzdem bleibt das ein Traum. Ich bin ein Bauer. Ich habe kein
Vermögen. Ich habe kein Haus, das ich dir schenken kann. Du bist die Tochter
eines der reichsten Männer von Theben. Nur der Sohn eines Adligen wird dich
heiraten können.«
»Nein!
Kamose, nein…«
»Du darfst die Wirklichkeit
nicht zurückweisen«, entgegnete der junge Mann beharrlich. »Ohne die
Einwilligung deines Vaters ist unsere Verbindung unmöglich.«
Nofret hatte nicht gewusst,
was Leiden bedeutet. Der Schmerz, der ihr nun das Herz zerriss, war
unerträglich. Sie würde nicht darauf verzichten, mit Kamose zu leben, sollte sich
auch das gesamte Land gegen sie verbünden.
Warum
verwandelte sich das Lächeln des Schicksals in eine teuflische Fratze?
Die Nacht war
lau, die Oase lag verlassen. In der Wüste riefen sich Schakale. Sie machten
sich auf die Suche nach Kadavern. In der Unterwelt durchquerte die Sonne die
Bezirke des Todes.
»Unser Glück
ist hier«, sagte Nofret. »Verlassen wir diesen Palmenhain nicht mehr.«
»Das ist doch
auch nur ein Traum, Nofret. Diese Welt ist schrecklich. Ich hielt sie für rein
und gerecht. Aber sie ist die Beute von Plünderern. Man braucht nur Gewalt
anzuwenden, um seine Habgier zu befriedigen.«
»Sei nicht so
düster…«
»Nenne mir
Gründe für Hoffnung. Ich sehe keinen.«
Verzweifelt
suchte die junge Frau nach einer Antwort.
»Es gibt nur
noch eine Lösung«, erklärte Kamose entschlossen.
»Welche?«
»Die Ursache
des Übels zu beseitigen.«
Nofret sah
ihn angsterfüllt an.
»Was willst du damit sagen?«
»Dieser
Soldat Setek hat das Unglück gebracht. Er verdient es nicht, zu leben.«
»Du hast kein
Recht, so zu reden, Kamose. Alle Menschen gehören zur Herde Gottes. Ihr Leben
liegt in seinen Händen, nicht in unseren. Du kannst die Hand nicht gegen einen
von deinesgleichen erheben. Du würdest für alle Ewigkeit verdammt.«
»Hat er etwa
gezögert zu töten, dieser große Held?«
»Er war
Soldat, Kamose. Er hat unser Land gegen seine Feinde verteidigt. Er hat sein
Leben riskiert, um unseres zu retten.«
»Wenn dieser
Mann als Held angesehen wird, verdient unser Land nicht, dass es verteidigt
wird. Ich werde Setek mit meinen eigenen Händen töten, Nofret. Ich werde die
Gerechtigkeit herbeiführen, die die Gesellschaft meinen Eltern verwehrt.«
Zärtlich legte Nofret den
Kopf auf Kamoses Knie.
»Handle nicht
so, ich flehe dich an. Du würdest unser beider Leben zerstören. Heute stehen
wir im Dunkeln. Morgen kommt eine neue Sonne. Wir lieben uns, Kamose, das
Schicksal hat uns vereint. Legen wir unsere Hoffnung in die Zukunft, die wir
erbauen werden.«
Diese Worte
richteten den jungen Mann auf, auch wenn er sich unfähig fühlte, daran zu
glauben.
»Du bist
wunderbar, Nofret. Die wunderbarste aller Frauen.«
»Hab
Vertrauen zu mir, Kamose. Wenn wir völliges Vertrauen ineinander bewahren,
werden wir es schaffen.«
»Ich werde
meine Eltern nicht aufgeben. Wenn ich sie vergessen würde, würde ich vor mir
selbst nicht bestehen können, und du könntest mich nicht mehr lieben.
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