Die Braut des Nil
die
Götter mir Euren Zorn ersparen! Wenn Ihr kein Anliegen habt, so wollt Ihr mir
gewiss Kritik an meinem Verhalten vortragen.«
Der Alte
hatte die Hände um seinen Stock gefaltet und nickte.
»Das wird
auch noch kommen, Majestät. Vorerst beschäftigt mich meine Schreiberschule.«
»Seit zehn
Jahren wünsche ich nun, dass Ihr Euch in einem Flügel des Palastes einrichtet,
aber Ihr weigert Euch hartnäckig. Ihr zieht es vor, Euer schlichtes Büro zu
behalten.«
»Ich möchte
keine neuen Räume. Die vorhandenen sind vollkommen ausreichend. Die jungen
Leute dürfen nicht in Luxus und Bequemlichkeit erzogen werden, das verdirbt nur
die Seele.«
Ramses der
Große lächelte. Der Alte hatte sich nicht verändert. Er verkörperte das ewige
Ägypten, das Ägypten der Erbauer und der Schriftsteller für die Ewigkeit, das
aufrechte Männer ausbildete, die fähig waren, ihr Leben zu gestalten und jeglicher
Gegnerschaft zu trotzen.
»Sagt mir
nicht, dass es Euch an Paletten und Schreibbinsen mangelt«, brachte der Pharao
vor. »Ich werde den Verantwortlichen auf der Stelle züchtigen lassen.«
»Eure
Verwaltung funktioniert nicht allzu schlecht, Majestät. Es ist nicht alles
vollkommen, aber sie hindert die Schüler nicht am Arbeiten.«
Ramses begann
sich Sorgen zu machen. Gewöhnlich sagte der Alte klar, worum es ihm ging.
»Ich habe die Absicht, meine
Schreiberschule vorübergehend zu schließen«, kündigte dieser an.
Der Pharao
war wie erstarrt.
»Eure Schule
schließen? Das ist die schlechteste Nachricht, die ich je gehört habe! Ihr habt
die besten Schreiber dieses Landes ausgebildet, mein Meister. Wenn ich über
rechtschaffene Richter, kompetente Bauleiter und Leiter des Katasters verfüge,
die über jeden Verdacht erhaben sind, dann dank Eurer Arbeit! Warum solltet Ihr
Eure Tätigkeit beenden? Ihr seid noch nicht so alt und bei ausgezeichneter
Gesundheit!«
»Ihr hört
meinen Worten nicht aufmerksam zu, Majestät. Ich habe gesagt: vorübergehend.«
»Was ist der
Grund für diese außergewöhnliche Entscheidung?«, fragte der Pharao verwundert.
»Das ist noch
schwer zu erklären«, antwortete der Alte rätselhaft.
»Gebt Ihr mir
keinen Hinweis?«
»Ich muss
mich um einen Taugenichts kümmern.«
»Wollt Ihr
damit sagen… dass Ihr zum Privatlehrer eines jungen inkompetenten Schreibers
werden wollt?«
»Etwas in
dieser Art, in der Tat.«
Ramses der
Große war verblüfft.
»So habt Ihr
nur zwei Mal reagiert«, erinnerte sich der Pharao. »Ihr wart mein Privatlehrer
und der eines meiner Söhne, den ich für den Thron bestimmt habe. Und wir waren
keine… Taugenichtse.«
»Niemand
weiß, was Ihr ohne den Unterricht des Weisen geworden wärt«, wandte der Alte
ein. »Aber Ihr habt verstanden, auf ihn zu hören.«
»Wer ist
dieser Ausnahmeschüler?«, fragte der König.
»Ausnahmeschüler?«,
wiederholte der Alte unzufrieden. »Ein einfacher Schlingel, störrisch,
selbstgefällig, aufbrausend, der hundert Stockschläge verdient hätte!«
»Ich verstehe
Euer Vorgehen nicht«, gestand Ramses der Große. »Ihr beschreibt mir tatsächlich
einen Taugenichts, und Ihr, der gelehrteste aller Schreiber, wünscht, ihm all
Eure Zeit widmen zu können!«
»Es macht mir
kein Vergnügen«, räumte der Alte ein. »Ich hätte wahrlich andere Aufgaben zu
erfüllen. Aber ich habe in den heiligen Zeichen gelesen, dass dies meine
Aufgabe sei.«
Der Pharao wusste, dass
niemand, nicht einmal er selbst, den Alten umstimmen konnte.
»Ich vermute,
Euer Schüler legt eine nicht geringe Begabung für die Wissenschaft der Schreiber
an den Tag.«
»Eine nicht
geringe, in der Tat«, räumte der Alte ein.
Aus seinem
Mund war das ein gewaltiges Kompliment. Der König selbst hatte von seinem
Lehrer nie ein derart positives Urteil erhalten.
»Dieser Junge
muss ganz besonders stolz auf Eure Entscheidung sein«, vermutete Ramses der
Große.
»Das ist
nicht der Fall.«
»Aber warum?
Ist er sich ihrer Bedeutung nicht bewusst?«
»Er weiß noch
nichts von ihr«, verriet der Alte.
Nofret war
nicht in die Villa zurückgekehrt. Sie hatte beschlossen, Kamose in den Tempel
von Deir el-Bahari mitzunehmen, wo ein bedeutendes Kollegium von
Hathor-Priesterinnen seinen Sitz hatte.
Nofret kannte
die oberste Priesterin, eine sehr schöne Frau, deren Aufgabe darin bestand, die
wichtigsten Zeremonien zu leiten. Die Priesterin mochte Nofret seit ihrer
Kindheit. Sie hatte sie die Kunst gelehrt, das Sistrum zu spielen, jenes
merkwürdige
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