Die Braut des Nil
Musikinstrument, das einen metallischen Klang hervorruft, der
Dämonen und schlechte Einflüsse abzuwehren vermag.
Dem Tempel
vorgelagert war ein weitläufiger Garten, dessen Prunkstück eine Reihe von
Weihrauchbäumen war. In ihrem Schatten wandelten Priester. An diesem Ort wurde
die Seele der großen Königin Hatschepsut verehrt. Das Heiligtum war Amun-Re
geweiht, dem König der Götter, Anubis, dem Schakal, dessen Aufgabe es ist, die
Gerechten auf die Wege zum Jenseits zu führen, und der Göttin Hathor, die in
Form einer Kuh dargestellt war, die die Königin säugt.
Kamose war
hingerissen. Er hätte gerne über die Macht verfügt, die Zeit anzuhalten und
hier in diesem von den Weisen geschaffenen Paradies zu bleiben, in Begleitung
der Frau, die er heiraten wollte.
Nofret und
Kamose gingen langsam und genossen jeden Augenblick ihres unerbittlich
fliehenden Glücks.
Am unteren
Ende der Rampe, die zu dem in den Berg gegrabenen Heiligtum hinaufführte,
wurden die beiden jungen Leute von einem Aufseherpriester angehalten.
»Ich bin
Hathor-Priesterin«, erklärte Nofret.
»Wenn du die
Wahrheit sagst, so kennst du die Losung.«
»Der Mann
ersteht in Osiris wieder auf, die Frau in Hathor.«
Der Wächter
ließ die junge Frau vorbei, hielt Kamose aber zurück.
»Warte auf
mich und werde nicht ungeduldig«, riet sie ihm.
Die oberste Priesterin
arbeitete in Begleitung von etwa zehn jungen Priesterinnen vor den
Flachreliefs, die den Gott Anubis mit Menschenkörper und Schakalkopf zeigten.
»Er entledigt
die Natur der Kadaver«, erklärte sie ihnen. »Aber er begnügt sich nicht mit
dieser Aufgabe. Er kennt die Geheimnisse der Mumifizierung. Wenn der Mensch vom
Gericht des Jenseits als gerecht anerkannt wird, vertraut es Anubis seinen
Lichtkörper an. Der Gott lehrt ihn die Zaubersprüche, die es ihm erlauben,
friedlich auf den schönen Wegen des Jenseits zu wandeln.«
Die
Priesterin verstummte, als sie Nofret kommen sah. Sie schickte ihre
Schülerinnen weg.
Nofret
näherte sich ihr und verneigte sich.
»Wie
glücklich ich bin, Euch zu sehen…«
»Ich auch«,
antwortete die Priesterin. »Aber es gehört nicht zu deinen Gewohnheiten, den
Unterricht zu stören. Du hast hierin häufig deine Unnachsichtigkeit gezeigt,
Nofret. Um unsere Ordnung derart zu verletzen und mich zu zwingen, dich
unerwartet zu empfangen, musst du wirklich einen sehr guten Grund haben.«
Nofret
betrachtete ein Kapitell, das das Gesicht der Göttin Hathor darstellte. Sie
hatte ein bezauberndes Lächeln, das vollendete, heitere Gelassenheit
ausstrahlte. Die junge Frau flehte die Herrscherin der Sterne an, ihr den Mut
zu verleihen, den sie brauchen würde.
»Hathor hat
mir die Liebe enthüllt«, sagte Nofret. »Sie hat mein Herz geöffnet und es mit
dem größten Glück gefüllt.«
Die
Priesterin nahm Nofret in die Arme.
»Ich bin
glücklich für dich, mein Kind. Du wirst zur Frau und Eingeweihten. Du wirst die
Fülle des Lebens kennen lernen.«
»Hathor hat mir die Liebe
enthüllt«, wiederholte Nofret mit erstickter Stimme. »Aber das Glück, das sie
mir darbietet, ist unmöglich.«
18
Die oberste Priesterin spürte
die Verzweiflung der jungen Priesterin, die sie unter allen anderen ganz
besonders liebte.
»Komm,
Nofret. Gehen wir auf die höchste Terrasse des Tempels hinauf. Lass uns dort
unter dem wohlwollenden Auge des Sonnengottes Re sprechen.«
Das Heiligtum
der Göttin war in den Felsen geschlagen worden. Die Rückseite des
Allerheiligsten war der Felsen selbst.
Von der
höchsten Stelle des Gebäudes mit übereinander liegenden Säulenreihen ging der
Blick über sonnenbeschienenes Land, Dinkel- und Bohnenfelder und den Nil mit
seinem strahlenden Blau, der das Leben durch den Körper des Landes fließen
ließ.
»Du liebst
jemanden, der nicht der Kaste der Adligen angehört, Nofret. Ist das der Grund
für dein Unglück?«
»So ist es
tatsächlich.«
»Er ist jung,
hat einen unbeugsamen, ungestümen Charakter, lehnt alle Kompromisse ab und
würde gern Gerechtigkeit in der Welt herrschen sehen.«
»Woher wisst
Ihr das?«
»Du kannst
nur einen solchen Mann lieben. Die jungen Adligen von Theben sind viel zu
schwächlich und zu beschränkt, um dir gefallen zu können. Aber der, den du
heiraten möchtest, ist nicht adlig. Es wird nicht leicht sein, gegen deinen
Vater zu kämpfen.«
»Das ist
nicht die einzige Schwierigkeit«, gestand Nofret. »Die Eltern desjenigen, den
ich liebe, müssen eine Ungerechtigkeit
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