Die Braut des Normannen
sie das obere Stockwerk leer geräumt. Nachdem Thomas gründlich geprüft hatte, ob der Boden dieser Belastung standhalten würde, wurde Royces Bett in einer Ecke der Halle aufgestellt. Nicholas Truhe stand jetzt neben dem Bett, und den Rest der Möbel schleppten die Männer aus dem Haus. Thomas stand an Nicholas Seite, und während er die Arbeiten beaufsichtigte, erklärte er, daß die Sachen in einer der Hütten gelagert würden, bis der Baron eine Entscheidung traf.
Nichola war unbehaglich zumute, weil sie in der Halle schlafen sollte, und bat Thomas, wenigstens einen Wandschirm um das Bett aufzustellen. Er machte sich sofort auf den Weg, um das Gewünschte zu suchen, und kam noch vor dem Abend mit einem großen Paravent zurück.
Nichola begegnete Royce erst kurz vor dem Abendessen wieder. Sie war angenehm überrascht, als sie Justin und die anderen Männer hinter ihrem Mann in die Halle kommen sah. Sie freute sich so sehr, ihren Bruder wiederzusehen, daß sie den anderen beinah ein rührseliges Schauspiel geboten hätte. Sie lief auf Justin zu, um ihn in die Arme zu schließen, aber Royce hielt sie gerade noch rechtzeitig zurück und legte den Arm fest um ihre Schulter.
Erst jetzt betrachtete sie ihren Bruder genauer und war entsetzt über sein Äußeres. Justins Gesicht war mit Wunden und blauen Flecken übersät, aber als sie sich umsah, entdeckte sie, daß die anderen Männer in einem ähnlichen Zustand waren.
Sogar Royce und Lawrence waren verletzt. Nichola brauchte volle zehn Minuten, bis sie eine befriedigende Erklärung für die Wunden erhielt, es fiel ihr jedoch schwer zu glauben, daß diese Barbarei nur ein Spiel gewesen sein sollte.
Sie gab sich große Mühe, Justin während des Essens nicht zu sehr zu verwöhnen, da sie wußte, daß sie ihn damit nur in Verlegenheit bringen würde. Sie gab vor, sich über die Erzählungen von dem Spiel zu amüsieren.
Die vier jungen Soldaten aßen wie die Scheunendrescher, und als sie fertig waren, prahlten sie mit ihren Heldentaten und stachelten sich gegenseitig auf.
Sie waren fröhlich – auch Justin lachte von Herzen. Nichola betrachtete die vier jungen Burschen. Sie waren sich sehr ähnlich, und Justin war jetzt einer von ihnen. Er hatte sich nicht nur angepaßt, sondern war ein Teil der Truppe.
O Gott, sie war schon wieder drauf und dran, diese verdammte Regel Nummer drei zu verletzen, wenn sie sich nicht beherrschte. Die Soldaten würden sie ebensowenig verstehen wie Royce, wenn sie plötzlich in Tränen ausbrach.
Sie mußte die Halle verlassen, bevor sie sich lächerlich machte. Zum Glück waren die Männer so damit beschäftigt, über das ruhmreiche Spiel zu sprechen, daß sie gar nicht bemerkten, wie Nichola sich zurückzog. Sie ging durch den Innenhof und wanderte noch weiter.
Es gab so viel, wofür sie dankbar sein mußte. Gott hatte seine schützende Hand über sie gehalten, als er ihr Royce geschickt hatte.
Justin konnte zuversichtlich in die Zukunft blicken – das hatte Royce fertiggebracht. Sie lächelte, ja, sie mußte ihm für vieles dankbar sein. Wenn irgend jemand es vor einem Jahr gewagt hätte, ihr zu prophezeien, daß sie sich eines Tages hoffnungslos in einen Normannen verlieben würde, dann wäre sie zutiefst gekränkt gewesen. Jetzt hingegen empfand sie es als Segen.
Royce mochte sie, und das genügte ihr. Sie würde sich weiterhin bemühen, so zu sein, wie er es sich wünschte, um wenigstens ein bißchen von dem wiedergutzumachen, was er für sie getan hatte.
Nichola hörte auf zu weinen und ging zurück. Sie entdeckte ihren Mann schon von weitem – er stand auf der Außentreppe und erwartete sie.
Im Mondlicht wirkte er wie eine riesige Statue. Sie blieb im Innenhof stehen. »Eigentlich sollte ich hier mit unseren Kindern stehen und auf deine Heimkehr warten«, sagte sie.
»Solltest du das?«
»Meine Mutter hat es immer getan.« Sie trat einen Schritt näher.
»Gehörte das zu ihren Pflichten?«
»Es war nur eine Gewohnheit«, erwiderte sie. »Mein Vater mochte das.«
»Was für Gewohnheiten hatten sie sonst noch?«
Nichola kam noch einen Schritt näher. »Sie spielten jeden Abend nach dem Essen Schach.«
»Dann werden wir dasselbe tun«, verkündete Royce.
»Aber du besprichst doch immer nach dem Abendessen mit den Soldaten deine Pläne für den nächsten Tag«, erinnerte sie ihn.
»In Zukunft werde ich das vor dem Essen erledigen«, entgegnete er. »Dann können wir später Schacht spielen.«
»Warum möchtest du
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