Die Braut des Normannen
Männer zu einem Turnier zu schicken, das in sechs Wochen stattfindet«, verkündete Henry. »Ihr solltet außerdem zehn Eurer Rekruten auswählen, da unser Herrscher der Meinung ist, daß auch sie an dem Fest teilnehmen sollten. Außerdem richtet der König eine weitere Bitte an Euch«, fügte Henry leise hinzu.
Royce verschränkte die Arme vor der Brust und blitzte Henry herausfordernd an.
»Baron Royce wartet auf den Rest der Botschaft«, zischte Lawrence.
Henry nickte. »Unser König und seine hochverehrte Gemahlin bestehen darauf, Lady Nichola als Gast bei den Feierlichkeiten zu begrüßen. Sie haben Zuneigung zu Eurer Frau gefaßt und wünschen, sie wiederzusehen.« Der Ritter sprach die Worte so aus, als würde er dabei mit Essig gurgeln.
Nichola wäre in Gelächter ausgebrochen, wenn sie nicht große Angst um die Schachfigur gehabt hätte, die Morgan in der Hand hielt. Sie wagte nicht, ihn aufzufordern, die kleine Figur zurückzustellen, weil sie fürchtete, daß er dann merken könnte, wieviel sie ihr bedeutete, und sie absichtlich zerstören würde.
Henry verneigte sich vor Royce und ging zu Nichola. »Vielleicht werden wir dann erfahren, Mylady, wer der Beste und wer der Zweitbeste ist.«
»Aber das wissen wir doch bereits, oder nicht?« fragte sie.
Nichola konnte nicht mehr still stehenbleiben. Es machte sie nervös, Morgan mit der Schachfigur herumspielen zu sehen. Sie ging zur Tür. »Lawrence, würdet Ihr bitte die beiden Ritter hinausbringen? Mein Mann wünscht, daß sie sofort gehen.«
Morgan wandte sich an Royce. »Wir haben vor, Eure Soldaten vernichtend zu schlagen«, prahlte er. »Diesmal werden wir nicht unterliegen.«
Um seiner Ankündigung Nachdruck zu verleihen, brach er der schwarzen Dame den Kopf ab und warf sie ins Feuer.
Royce registrierte erst jetzt, daß Morgan die Figur die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, da er vollkommen auf Nichola fixiert gewesen war. Er sah ihr ängstliches Gesicht und einen Augenblick später die kaputte Schachfigur.
Er brüllte vor Zorn. Morgan wirbelte rasch herum, als Royce wie der Blitz auf ihn zuschoß. Alles geschah so schnell, daß Nichola kaum etwas mitbekam. Im einen Moment stand Morgan selbstgefällig und in arroganter Pose vor dem Kamin, und im nächsten segelte er wie ein Diskus durch die Luft.
Royce schleuderte den schweren Mann ein gutes Stück weit am Tisch und am Wandschirm vorbei. Er hätte gegen die Wand praller müssen, aber das tat er nicht. Er flog durch die Wand. Nichola vermutete, daß sie auch aus morschem, verfaulten Holz bestand.
Ein klaffendem Loch, so groß wie zwei Männer, war in die Mitte der Wand gerissen und bot ihnen einen ziemlich guten Ausblick auf den Innenhof.
Nichola schlug vor Schreck die Hände vor den Mund, während sie durch dieses Loch verfolgte, wie Morgan schwankend auf die Füße kam. Royce hatte ihn nicht umgebracht. Henry lief zu Nichola – offensichtlich hatte er nicht vor, seinem Freund seine Hilfe anzubieten. Morgan schien nicht fähig zu sein, sich aufrecht zu halten – er sank auf die Knie. Wahrscheinlich ist er ein bißchen benommen, überlegte Nichola.
Sie wollte sich zurückhalten, aber sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Henry entging ihre Fröhlichkeit nicht, und er zitterte vor Wut. »Ihr habt den falschen Baron zum Ehemann gewählt«, schnaubte er.
Henry hätte sich vielleicht unter Kontrolle gehalten, wenn Nichola nicht in lautes Gelächter ausgebrochen wäre. Henry hätte sie am liebsten verprügelt, aber selbst in seinem größten Zorn war ihm klar, daß Royce ihn auf der Stelle getötet hätte, wenn er Hand an Nichola gelegt hätte. Trotzdem überwog der Drang, ihr das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, seine Vorsicht, und er versuchte, ihr Angst einzujagen. »Ihr werdet Witwe sein, wenn das Turnier vorüber ist«, zischte er. »Ihr hättet wirklich auf das alte Weib hören und Royce töten sollen, als Ihr die Gelegenheit dazu hattet. Dann hättet Ihr uns den Ärger erspart.«
Nichola machte ihm nicht die Freude, die Beherrschung zu verlieren. Henry klang wie ein kleiner Junge, dem man etwas abgeschlagen hatte.
Sie schüttelte den Kopf. »Verschwindet, Henry. Allmählich macht Ihr mich ärgerlich.«
Sie dachte nicht daran, sich noch eine Minute länger mit diesem törichten Kerl abzugeben. Ihre ganze Sorge galt jetzt Royce. Gütiger Himmel, er war noch nie zuvor so außer sich gewesen, das beunruhigte sie, und er schien noch nicht mit Morgan fertig zu sein –
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