Die Braut des Normannen
kreischte sofort wieder, während Royce beobachtete, wie Nichola mit fliegendem Haar durch das offene Eisentor stürmte. Sie schenkte der kalten Witterung offenbar keinerlei Beachtung, da sie sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, einen Umhang um ihre Schultern zu werfen, so eilig hatte sie es, zu Ulric zu kommen.
Sein Plan funktionierte. Royce atmete auf – nicht so sehr, weil es ihm gelungen war, Nichola aus dem Kloster zu locken, sondern weil er das schreiende Kind endlich loswurde.
Nichola flog in halsbrecherischer Geschwindigkeit den Weg hinunter, und als sie Royce erreichte, war sie außer Atem und fuchsteufelswild. »Gebt mir das Baby!« forderte sie lautstark.
Sie war so wütend, daß sie sich nicht mehr beherrschen konnte und auf Royces Beine einschlug.
»Ist Ulric Euer Sohn, Nichola?«
Sie zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, dann nickte sie. »Ja, er ist mein Sohn.«
Er wußte, daß sie log – wieder einmal. Royce seufzte laut, aber die Furcht, die er in Nicholas Blick erkannte, brachte ihn dazu, Ruhe zu bewahren. Er würde sie jetzt noch nicht zur Rede stellen. Sie hatte ihn aus Angst belogen, und es wäre für sie unmöglich, ihn zu verstehen. Sie versuchte nur, das Kind zu schützen, und Royce war ihr Feind. Er konnte sich sehr gut vorstellen, daß man ihr die finstersten Geschichten über die Normannen erzählt hatte.
»Ulric geht es gut, Nichola. Es wird ihm nichts geschehen.« Nach diesem Versprechen bot er ihr seine Hand dar.
Nichola schob sie weg. »Gebt ihn mir. Sofort.«
Nichts hätte er lieber getan, da Ulric inzwischen wie am Spieß schrie und strampelte, aber Royce wollte Nichola auf keinen Fall die Oberhand gewinnen lassen. Sie war nicht diejenige, die Befehle geben konnte, und je früher sie das begriff, desto besser für sie. Die Reise würde auch ohne ihre Forderungen und Ansprüche schwierig und beschwerlich genug werden.
Ulric hatte sich augenscheinlich zur offenen Rebellion entschlossen, und Royce versuchte ihn zu beruhigen. Behutsam drehte er das Baby so, daß es sich an seine Brust schmiegen konnte. Dann zupfte er die Decke von seinem Gesichtchen und wischte die Tränen von den Wangen, ehe er sich Nichola wieder zuwandte.
Die unglaubliche Zärtlichkeit, mit der Royce den kleinen Ulric behandelte, hatte ihrem Zorn die Spitze genommen. Der Krieger hatte so große Hände, und trotzdem ging er kein bißchen ungeschickt mit dem Kind um. Das Baby hatte den Kopf zurückgelegt und grinste seinen Entführer freundlich an.
Ulric ist ein Säugling und weiß es nicht besser, dachte Nichola und heftete ihren Blick auf Royce. Eine ganze Weile starrten sie sich schweigend an, während der kleine Ulric zufrieden vor sich hin gluckste.
Nichola hielt Royces Blick nicht lange stand. Sie begann zu zittern und wußte selbst nicht, ob ihr die Kälte oder die eisige Miene des Kriegers Schauer über den Rücken jagte.
»Das Spiel ist vorbei, Nichola. Ich habe gewonnen. Wenn wir am Schachbrett säßen, würde ich sagen, Ihr seid matt«, sagte Royce. »Gesteht Eure Niederlage ein, und ich erweise Euch Gnade.«
Der belustigte Unterton in seiner Stimme machte sie weit wütender als seine hochnäsige Prahlerei. Sie sah wieder zu ihm auf und bemerkte, daß er sich nur mit Mühe das Lachen verbeißen konnte.
Dieser Mann freute sich diebisch über seinen Sieg, und das brachte sie so gegen ihn auf, daß sie wieder auf sein Bein einhieb. »Wenn dies ein Spiel wäre, dann würde mich Euer Zug nicht matt setzen, Baron , aber Ihr bedroht mit diesem teuflischen Schritt meinen König. Er steht im Schach, aber das Spiel ist noch nicht zu Ende.«
Er schüttelte den Kopf. »Ihr seid in einer ausweglosen Position, Nichola. Gebt diesen unsinnigen Kampf auf und akzeptiert das, was Ihr ohnehin nicht ändern könnt.«
Er hatte tatsächlich die Stirn, sie anzulächeln, und dafür verabscheute sie ihn noch mehr. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, daß er auch nur im geringsten gutaussehend oder freundlich sein könnte? Nur ein Ungeheuer war dazu fähig, ein Baby als Mittel zum Zweck zu benutzen und das Leben eines Kindes mit voller Absicht zu gefährden, nur um sich selbst Vorteile zu verschaffen.
Nichola merkte wohl, daß das Kind ganz und gar nicht in Gefahr schwebte, und sie war aufrichtig genug, sich diese Wahrheit einzugestehen. Ulric war in Sicherheit. Ein ganzer Soldatentrupp befand sich in Rufweite und würde das Kind vor jedem Angriff beschützen, und es fühlte sich in den Armen des
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