Die Braut des Normannen
ist es mir also erlaubt, mein Zimmer zu verlassen, ohne daß mich jemand zurückhält?«
Beide Männer nickten. »Es wäre uns eine Ehre, Euch überallhin zu eskortieren«, erklärte der eine.
Nichola fiel ein Stein vom Herzen – sie war keine Gefangene mehr. »Würdet Ihr mich bitte zum Quartier meines Mannes führen?« fragte sie. »Ich muß ihn dringend sprechen.«
Die beiden Männer tauschten einen Blick, bevor sie sich wieder ihrer Herrin zuwandten. »Aber Ihr seid doch schon in seinem Zimmer«, sagte der eine.
Aber wo hat Royce geschlafen? überlegte Nichola, hütete sich jedoch, die Frage laut auszusprechen. Die Antwort darauf könnte eine Demütigung für sie bedeuten. Sie nickte den Soldaten zu und war gerade im Begriff, die Tür zu schließen, als Lawrence eilig auf sie zukam.
»Seid Ihr bereit, zu der Feier zu gehen, Lady Nichola?«
»Wo ist mein Mann?« fragte sie.
»Er erwartet Euch in der großen Halle«, entgegnet Lawrence. »Wenn Ihr gestattet, werde ich Euch zu ihm führen.«
Konnte sich Royce nicht einmal dazu herablassen, selbst zu kommen, um seine Frau abzuholen? Nichola runzelte die Stirn, redete sich aber ein, daß ihr diese Mißachtung nichts ausmachte. Es war ihr gleichgültig, wenn er die Nächte im Bett einer anderen verbrachte, und er konnte sie auch weiterhin ignorieren. Nein, mich stört das ganz und gar nicht, belog sich Nichola selbst, während sie an Lawrences Seite durch die langen Korridore ging.
Die große Halle war brechend voll, aber sie entdeckte Royce sofort. Er war der größte Mann im ganzen Saal und überragte alle anderen. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und war von Freunden umringt.
Aufgeregtes Murmeln erhob sich, als sie mit Lawrence durch die Tür schritt. Plötzlich schienen alle in ihre Richtung zu schauen, aber Nichola konnte sich nicht vorstellen, weshalb. »Wen starren alle so an, Lawrence?« wollte sie wissen.
»Euch.«
Schonungsloser hätte er sich nicht ausdrücken können. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. »Ich dachte, sie würden mir nicht mehr ablehnend gegenüberstehen«, flüsterte sie.
Lawrence lächelte. »Aber sie lehnen Euch nicht ab, Mylady. Das Festessen findet zu Euren und zu Royces Ehren statt.«
Nichola fühlte sich so fehl am Platze, daß sie diese Eröffnung nicht beschwichtigen konnte. Es war ihr unangenehm, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, und sie wollte von ihrem Mann beachtet und geschätzt werden. Sie durchbohrte seinen Rücken mit eindringlichen Blicken, während sie darauf wartete, daß er sie abholte.
»Ich bringe Euch zu Royce«, sagte Lawrence.
Sie schüttelte den Kopf. »Royce sollte zu mir kommen.«
Einer der Ritter, mit denen sich Royce unterhielt, entdeckte sie und tippte Royce auf die Schulter, um ihn auf sie aufmerksam zu machen. Royce drehte sich langsam um, und sein Blick fiel sofort auf sie. Sie war die schönste Frau in diesem Saal und nicht zu übersehen. Würde er sich je an sie und ihre blendende Erscheinung gewöhnen können? Jedesmal, wenn er sie sah, war er wie vom Donner gerührt. Ihr Haar schimmerte wie pures Gold, und es gefiel ihm, wenn sie es wie heute ohne Bänder über ihre Schultern fluten ließ. Plötzlich hatte er das Verlangen, sie zu berühren.
Er holte tief Luft, um seine Fassung zurückzugewinnen, nickte knapp und gab Lawrence und Nichola ein Zeichen, zu ihm zu treten.
Nichola verweigerte sich der Aufforderung und wiegte verneinend den Kopf hin und her. Lawrence sah unbehaglich von einem zum andern. Royce beobachtete, wie sich sein Gefolgsmann niederbeugte und etwas in Nicholas Ohr flüsterte, aber sie schüttelte erneut den Kopf.
Was spielte sie jetzt wieder für ein Spielchen? Royce konnte es kaum fassen – seine Braut wagte es, sich seinem Befehl zu widersetzen? Das war unglaublich. Royce hätte beinah laut gelacht, aber er beherrschte sich gerade noch rechtzeitig und gab ihr ein zweites Mal ein Zeichen.
Seinem Gesicht war nicht anzusehen, was er dachte – bis sie ihn zu sich winkte. Er riß die Augen auf und tat dann dasselbe wie sie: Er schüttelte heftig den Kopf.
Selbst über die Entfernung hinweg bemerkte Nichola den zuckenden Muskel an seiner Wange und die zusammengepreßten Kiefer. Er war wütend, aber auch wenn sein zornfunkelnder Blick sie erschreckte, gab sie nicht nach. Bei Gott, sie war seine Frau, und er würde zu ihr kommen.
Royce verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie unverwandt an. Die Botschaft war deutlich – er hatte nicht vor, sich
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