Die Braut des Normannen
von der Stelle zu rühren.
Nichola blieb nur noch eine einzige Möglichkeit: Sie mußte ihm den Rücken kehren und die Halle verlassen. Ich habe ohnehin keinen besonders großen Appetit, sagte sie sich, und außerdem würde Royce ihr in diesem Fall sicher nachlaufen. Wenn sie dann allein und außer Hörweite der anderen waren, konnte sie ihm klarmachen, was sie von seinem ungehobelten Benehmen und seiner Überheblichkeit hielt, und sie würde die Gelegenheit ergreifen, ihn auf seine neuen Pflichten aufmerksam zu machen. Zuallererst wollte sie ihm vorhalten, daß sich ein Ehemann bei offiziellen und bedeutenden Anlässen stets an der Seite seiner Gemahlin zu halten hat.
Nichola war im Begriff, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie dankte Lawrence für seine Fürsorge und schenkte Royce ein Lächeln. Einen Knicks brachte sie nicht zustande, da sie die Verbände an ihren Händen noch immer behinderten, aber sie neigte den Kopf. Dann drehte sie sich um und strebte der Tür zu.
»Nichola!«
Seine donnernde Stimme erschütterte die Wände, und Nichola blieb stocksteif stehen. Es war unfaßbar, daß er ihren Namen in aller Öffentlichkeit und vor all diesen Gästen so laut brüllte. Sie wirbelte herum und bedachte ihn mit einem grimmigen Blick, und wieder einmal starrten sie alle Anwesenden an – dank ihres rücksichtslosen Ehemanns.
Sie spürte, daß ihre Wangen vor Scham brannten, und ein Blick in Royces Züge verriet ihr, daß er entschlossen war, ihr ohne Bedenken hier und jetzt eine Szene zu machen. Sie sah schon vor ihrem geistigen Auge, wie er sie an den Haaren zu Tisch zerrte, und dieser schreckliche Gedanke brachte sie dazu, ihre Position neu zu überdenken. Gott allein wußte, welche Grobheiten sich dieser Mann einfallen ließ, um das zu bekommen, was er wollte.
Vermutlich war es klüger, ihm seinen Willen zu lassen – dieses eine Mal wenigstens. Sie seufzte tief, zwang sich, ein heiteres Gesicht aufzusetzen und durchquerte den Saal. Sie ließ Royce dabei nicht aus den Augen. Wenn dieser Kerl die Frechheit besaß zu grinsen, dann, das schwor sie bei ihrem Schöpfer, würde sie diese Unverschämtheit mit einem Tritt belohnen.
Sie blieb knapp vor ihm stehen. »Hast du einen Wunsch?«
Er nickte und sah selbstzufrieden aus. Sie rückte noch ein wenig näher an ihn heran. »Du bekommst nicht immer das, was du willst«, flüsterte sie.
»O doch.«
Sie beobachtete, wie seine Augen aufblitzten. »Du bist ein unmöglicher Mensch«, murmelte sie.
»Das erwähntest du bereits mehrfach.«
Er lächelte, und sie wußte nicht, was sie davon halten sollte. Sie senkte den Kopf, aber er legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen, dann beugte er sich vor und küßte sie. Sein Mund strich nur einen flüchtigen Augenblick über ihre Lippen, aber das genügte, um sie vollkommen durcheinander zu bringen.
Sie erholte sich langsam von diesem Schreck, aber schon legte er den Arm um ihre Schultern und zog sie an seine Seite, ehe er sich wieder seinen Freunden zuwandte.
Er behandelt mich wie ein Gepäckstück, dachte sie. Aber immerhin hatte er sie auf eine angemessene Art begrüßt. Gott, er machte sie ganz konfus.
Während des ganzen langen Dinners wurde Nichola ihre Verwirrung nicht los. Der Mann an ihrer Seite schenkte ihr keinerlei Aufmerksamkeit, während die Speisen aufgetragen wurden. Sowohl die Männer als auch die Frauen, die sie begrüßten, machten Nichola die reizendsten Komplimente, das bedeutete ihr jedoch nicht viel. Royce hatte kein Wort über ihr Aussehen verloren ... Aber es ist mir ja ohnehin egal, wie er über mich denkt, sagte sie sich, während sie ihr Haar glattstrich.
Da sie ihre Hände nicht gebrauchen konnte, hätte sie jemand füttern müssen, aber diese Erniedrigung wollte Nichola keinesfalls dulden. Sie neigte sich zu ihrem Mann, um ihm ihre Bedenken mitzuteilen, er schnitt ihr jedoch das Wort ab, indem er ihr ein Stück Fleisch in den Mund schob.
Alle um sie herum schienen zu lachen und sich zu unterhalten, und Nichola nahm an, daß kein Mensch auf sie achtete. Matilda saß zu ihrer Rechten, aber sie war in ein Gespräch mit dem König vertieft – Nichola schnappte zufällig auf, daß sie über ihre Kinder redeten.
Da sie sich sicherer fühlte, gestattete sie Royce, ihr beim Essen zu helfen, und es beruhigte sie, daß er diese Aufgabe mit so viel Nonchalance erfüllte. Er hätte schließlich auch seinen Knappen darum bitten können, sich um sie zu kümmern. Nichola
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