Die Braut des Normannen
war ihm dankbar, daß er kein großes Aufhebens um ihre Behinderung machte.
»Baron Samuel hat mir versprochen, morgen die Verbände abzunehmen«, erzählte sie Royce.
Er nickte nur und setzte sein Gespräch mit einem Baron, der ihr noch nicht vorgestellt worden war, fort. Sie stieß Royce mit dem Fuß an, aber er reagierte nicht.
Nichola fühlte sich inmitten all der Leute einsam und elend. Sie legte ihre verbundenen Hände in den Schoß, und es dauerte nicht lang, bis sie sich selbst unendlich leid tat. Ihre Hände brannten, und der Schmerz machte ihren Kummer noch schlimmer. Sie beobachtete, daß einige unverheiratete Frauen ihrem Mann schöne Augen machten, deshalb rutschte sie noch näher zu ihm und funkelte die schamlosen Dirnen wütend an.
Es paßte ihr ganz und gar nicht, links liegengelassen zu werden, das merkte Royce daran, daß sie sich immer enger an ihn schmiegte. Wenn sie noch ein Stück näher kam, wird sie unweigerlich auf meinem Schoß landen, dachte er und erbarmte sich ihrer. »Amüsierst du dich, Nichola?« fragte er.
Sie hob geziert die Schultern. »Wo hast du letzte Nacht geschlafen?« Nichola wandte den Blick von ihrem Mann ab und starrte eine häßliche rothaarige Frau an, die versuchte, Royces Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Also?«
»Sieh mich an, wenn du mit mir sprichst«, befahl er und wartete geduldig, bis sie seiner Aufforderung nachkam, dann sagte er: »Ich habe bei meiner Frau geschlafen.«
»Ich bin deine Frau.«
Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ja, das bist du.«
»Du hast bei mir geschlafen?«
»Das habe ich dir gerade erklärt, Frau.«
»Es besteht keine Notwendigkeit, so ungehalten zu sein. Ich kann mich nicht an die letzte Nacht erinnern, und ich wollte nur wissen, was geschehen ist. Also hast du in meinem Zimmer geschlafen.«
Sie schien es immer noch nicht zu glauben, aber Royce behielt die Ruhe. Es machte ihm Spaß, sie zu beobachten, wenn sie aufgebracht war, und jetzt war sie offensichtlich über irgend etwas wütend. Sie bemühte sich, eine freundliche Miene beizubehalten – mit kläglichem Erfolg, und Royce hatte Lust, sie noch etwas mehr anzustacheln. »Eigentlich habe ich unter dir geschlafen. Du hast es dir auf mir bequem gemacht.«
Ihr Gesicht wurde flammendrot. Royce lachte schallend, und einige erschrockene Blicke suchten nach der Quelle des donnernden Lärms.
»Du hast mich dazu gebracht, daß ich auf...«
»Du wolltest es selbst.«
»Ich war richtiggehend betäubt.«
»Ja.«
Sie straffte die Schultern. »Heute abend werde ich keinen Schlaftrunk zu mir nehmen.«
Er stimmte ihr zu und sagte nichts mehr, als er merkte, wie aufgeregt sie war.
Gleich darauf wurde Nichola von Matilda in eine Gespräch verwickelt, trotzdem rückte sie keinen Millimeter von Royces Seite. Es schien ihr zu gefallen, ihm so nah zu sein, obwohl er sich den Grund dafür nicht erklären konnte, aber eines wußte er genau – ihm gefiel es auch. Es erschien ihm als die natürlichste Sache der Welt, ihr den Arm um die Schulter zu legen, und Nichola wehrte sich nicht dagegen. Ein paar Minuten später, nachdem Matilda die amüsante Anekdote über eine ihrer Töchter zu Ende erzählt hatte und wieder mit ihrem Gemahl plauderte, gab Nichola ihrer Schwäche nach und lehnte sich matt an Royce.
Auf Außenstehende, so mutmaßte sie, mußten sie wie ein glücklich verheiratetes Paar wirken, das darauf brannte, endlich allein zu sein. Und ein bißchen stimmt das auch, dachte Nichola. Sie konnte es kaum erwarten, mit Royce unter vier Augen zu sprechen und ihm die Leviten zu lesen. Gütiger Himmel, er war wirklich rücksichtslos und roh. Jedesmal, wenn sie sich ins Gedächtnis rief, wie er ihren Namen gebrüllt und sie mit dieser arroganten Geste zu sich gewunken hatte, schäumte sie aufs neue.
Sie brauchte nicht lange, bis sie sich in eine beträchtliche Wut hineingesteigert hatte. Aber Royce machte ihr wieder einmal einen Strich durch die Rechnung. Er rieb mit kreisenden Bewegungen ihre Schultern, um ihre Spannung zu lösen, und plötzlich konnte sie nicht mehr anders – sie schmiegte sich an ihn und gähnte sogar.
»Hast du noch immer Schmerzen in den Händen, Nichola?« flüsterte er dicht an ihrem Ohr.
Ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken, und ihr Hals prickelte – seine sanfte Stimme war wie eine Liebkosung. Ihr war bewußt, daß es sich nicht schickte, sich vor aller Augen so an ihn zu pressen, aber sie war zu müde, um sich darum zu kümmern. Zudem war
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