Die Braut des Normannen
auch nur ein freundliches Wort über dich sprechen könnte, wenn ich meine ehrliche Meinung sagen müßte.«
Er nickte, nur um sie zu beruhigen. »Wann hast du denn diese Dinge gesagt, die du gar nicht erst gemeint hast.«
»Gestern abend«, erwiderte sie, »als Baron Guy uns mit seiner Überheblichkeit auf die Nerven ging.«
Royce erinnerte sich an das Gespräch und grinste, aber Nichola war mit ihren eigenen Sorgen zu beschäftigt, um es zu bemerken. Die vergangenen Stunden hatten sie die letzten Kräfte gekostet. Sie sank matt gegen die Brust ihres Mannes und schloß die Augen. Unterbewußt registrierte sie, daß sie sich wünschte von ihm liebkost und getröstet zu werden. Das war unsinnig, aber sie war nicht in der Lage, genauer darüber nachzudenken.
»Royce?«
»Ja.«
»Haßt du mich?«
»Nein.«
»Warst du wütend, als ich mich entschieden habe, dich zu heiraten?«
»Was glaubst du?«
»Ich denke, du warst wütend«, flüsterte sie. »Jetzt kannst du nicht mehr in die Normandie zurück.«
»Nein, das kann ich nicht mehr.«
»Macht dir das was aus?«
Er lächelte erneut und legte das Kinn auf ihren Kopf. Sie schien sich ernsthafte Gedanken zu machen. »Nein.«
»Warum nicht?«
Er seufzte. »Möchtest du deswegen mit mir streiten?«
»Nein«, entgegnete sie. »Du solltest in die Normandie zurückkehren, Royce. Gibt es dort eine Frau, die auf dich wartet?«
»Ist es nicht ein bißchen spät, sich darüber Gedanken zu machen?«
Wieder traten ihr Tränen in die Augen. »Mir ist erst jetzt die Idee gekommen, daß es so sein könnte«, wimmerte sie. »O Gott, ich habe dein Leben zerstört, nicht war?«
Er drückte sie an sich. »Nein, das hast du nicht getan. Es gibt keine Frau, die ich in der Normandie zurückgelassen habe, Nichola.«
Sie sank an seine Brust, und er schloß aus dieser Geste, daß sie Erleichterung empfand. »Meine Familie lebt dort«, erklärte er. »Mein Vater ist tot, aber meine Mutter lebt noch – sie ist sehr beschäftigt mit meinen Schwestern und ihren Enkelkindern.«
»Meinst du, daß ich deine Familie je kennenlernen' werde?«
»Vielleicht«, antwortete er.
Er war der Meinung, daß er sie so weit beruhigt hatte, um wieder auf das ursprüngliche Thema und zu seiner ersten Frage, warum sie geweint hatte, zurückzukommen. Aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen und flüsterte: »Du mußt in die Normandie reisen, Royce, und wenn es auch nur für einen langen Besuch bei deiner Familie ist.«
Royce war erstaunt, daß sie ihn dazu drängte. »Und weshalb sollte ich das tun?«
»Dort wärst du sicher.«
»Hier bin ich genauso sicher.«
Nichola beschloß, es auf andere Weise zu versuchen. »Ich würde gern so schnell wie möglich von hier weg, Royce. Können wir gleich jetzt aufbrechen? Der Mond scheint so hell, daß wir den Weg zu meiner Burg leicht finden.«
Sie klang irgendwie verzweifelt. Royce hob ihr Kinn an, um ihr in die Augen zu sehen – Angst schimmerte in den violetten Tiefen.
»Was ist passiert?« wollte er wissen.
»Nichts«, sagte sie schnell. »Ich möchte nur weg.«
Sie stieß seine Hand beiseite und verbarg ihr Gesicht an seinem Hals.
»Nichola, fürchtest du dich so sehr davor, daß ich dich anrühren könnte? War dir deshalb übel?«
»Wovon sprichst du überhaupt? Du berührst mich doch schon.«
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte er. »Wenn ich mit dir schlafe ...«
Er beendete den Satz nicht. Ihr Kopf ruckte in die Höhe – guter Gott, daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Das war noch eine Sorge, die sie auf die immer größer werdende Liste setzen konnte.
»Du erwartest doch nicht, daß ich so etwas mit dir tue«, sprudelte sie hervor. »Ich hatte noch nicht einmal Zeit genug, mir über diese Angelegenheit Gedanken zu machen. Nein, das kannst du nicht von mir verlangen ...«
»Ich verlange gar nichts«, unterbrach er sie.
Sie starrte ihn an – offenbar meinte er es ernst. Mit einem Mal wurde sie leichenblaß, ihr Herz hämmerte wild, und sie brach wieder in Tränen aus.
Royce unterdrückte seinen Zorn. Wahrscheinlich hätte er dieses Thema nicht anschneiden dürfen. Wenn die Zeit gekommen war, Nichola wirklich zu seiner Frau zu machen, dann würde er es ohne Umschweife tun, aber er konnte nicht zulassen, daß sie die Angst verzehrte.
»Nichola, vertraust du mir?«
Ohne nachzudenken antwortete sie: »Ja.«
»Und du hast keine Angst vor mir, oder?«
»Nein.«
»Gut« raunte er leise. »Dann sag mir, was dich so sehr
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