Die Braut des Normannen
wahr?«
Er strich ihr über die Wange. »Ja, so sollte es sein, aber glaube mir, es kommt selten vor.«
Nichola wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden, und so blieben sie, wie es schien, für eine Ewigkeit reglos stehen, und der Zauber wurde erst gebrochen, als Clarises Lachen zu ihnen drang. Royce war der erste, der sich rührte. Er ergriff Nicholas Hand und führte sie zum Tisch.
Sie schüttelte ärgerlich den Kopf, als sie sah, daß Baron Hugh Clarise an die Wand drängte und an ihrem Ohr knabberte. Clarise schien diese Liebkosung zu genießen, bis sie merkte, daß ihre Herrin sie beobachtete. Die Dienerin befreite sich rasch aus Hughs Umarmung und huschte in die Anrichte. Hugh seufzte bedauernd.
Royce nahm an der Stirnseite des Tisches Platz, Nichola setzte sich an seine rechte Seite, und Hugh ließ sich ihr gegenüber nieder.
Alice wartete in der Tür zur Anrichte auf das Zeichen ihrer Herrin. Die Dienerin hatte bereits silberne Pokale auf den Tisch gestellt, und sobald Nichola die Hand hob, eilte sie mit einem großen Krug herbei und füllte die Pokale mit dunklem Ale – Royces Becher war bis zum Rand voll. Er tadelte sie nicht deswegen, weil er meinte, Alice sei nur ein wenig übereifrig.
Nichola hob schnell ihren Becher und brachte einen Toast aus. Sie bemühte sich, ihre Hände so zu drehen, daß Royce ihre Narben nicht sehen konnte. Sie nahm selbst auch einen großen Schluck, weil sie den Argwohn ihres Mannes nicht wecken wollte.
Es blieb nicht bei dem einen Trinkspruch – Nichola rief einen nach dem anderen aus, bis sie auf alle bedeutenden Menschen in England getrunken hatte. Sie hob erneut an, als Platten mit Wachteln und Fasanen, dicke Scheiben frisch gebackenen Brots und köstlicher Käse aufgetragen wurden. Alle Speisen waren besonders stark gesalzen, um Royce durstig zu machen. Nichola vergaß das zusätzliche Salz und griff ordentlich zu – auch beim Ale –, und nach kürzester Zeit war ihr schwindlig von dem vielen Alkohol.
Royce brauchte nicht lange, um dahinterzukommen, was Nichola vorhatte. Jedesmal wenn er einen Schluck getrunken hatte, huschte Alice zu ihm und schenkte ihm nach. Er ahnte, daß die beiden Frauen unter einer Decke steckten, und er sah auch die bedeutsamen Blicke, die sie tauschten.
Seine Frau wollte ihn betrunken machen, aber er hatte ihren Plan durchschaut. Immer wenn Alice seinen Pokal auffüllte, schüttete er die Hälfte von dem Ale in Nicholas Becher. Nichola konnte sich nicht gegen seine Großzügigkeit auflehnen, und nach einer Weile war sie so durcheinander, daß sie es nicht einmal mehr merkte. Schon nach einer Stunde wurden ihre Lider schwer, und sie hatte Schwierigkeiten, sich auf dem Stuhl zu halten. Sie mußte ihren Kopf mit den Händen stützen.
»Man kann sagen, das ist das scheußlichste Zeug, was ich je gegessen habe«, brummte Hugh. »Das Fleisch ist vollkommen versalzen.«
»Ja, das ist es«, bestätigte Royce.
Hugh stand auf. »Ich bin sehr müde und gehe lieber ins Bett. Wo wohl Clarise sein mag?«
»Sie versteckt sich in der Anrichte«, sprudelte Nichola hervor, dann entschuldigte sie sich für die grausige Mahlzeit und wünschte Hugh eine gute Nacht. Sie merkte gar nicht, wie undeutlich sie sprach und wie derangiert sie aussah. Das Haar fiel ihr ins Gesicht, und sie mußte sehr aufpassen, daß ihr der Kopf nicht aus den Händen rutschte.
Royce war wütend auf sie. Er wartete, bis Hugh gegangen war, dann bedeutete er Alice, ebenfalls zu verschwinden, und wandte sich seiner Frau zu. Gerade als er sie fragen wollte, was das alles zu bedeuten hatte, neigte sie sich zur Seite und wäre fast vom Stuhl gefallen, wenn er sie nicht aufgehoben hätte. Er lehnte sich zurück und hob sie auf seinen Schoß.
Der ganze Raum drehte sich um Nichola. Sie legte die Arme um Royces Hals, besann sich aber gleich darauf eines Besseren und versteckte ihre Hände ungeschickt in den Falten ihres Gewandes.
»Was tust du da?« fragte Royce, während sie an dem Stoff herumzupfte.
»Ich verstecke meine Hände vor dir.«
»Weshalb?«
»Ich möchte nicht, daß du die Narben siehst. Sie sind häßlich«, murmelte sie und preßte ihre Wange an seine Schulter. »Du riechst gut, Royce.«
Royce reagierte nicht auf das Kompliment und ergriff ihre Hände, um sich die Narben anzusehen. Ihre Haut war leicht rosa, und er fürchtete, daß sie noch sehr empfindlich war. Als er nichts darüber verlauten ließ, flüsterte sie:
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