Die Braut des Normannen
Thurston, und er ist sehr freundlich zu mir.«
»Er ist ein Normanne.«
Er spie die Worte beinah aus, und seine Wut machte sie ärgerlich. »Der Krieg ist vorbei, Thurston. Wenn du nicht den Treueeid vor William ablegst, wirst du zum Tode verurteilt. Ich flehe dich an, widersetzte dich nicht. Ich will nicht, daß du getötet wirst.«
Er schüttelte den Kopf. »Der Krieg ist nicht vorbei«, behauptete er. »Die Truppe der Widerstandskämpfer wächst von Tag zu Tag, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir diesen schurkischen normannischen König absetzen.«
»So einen Unsinn glaubst du doch nicht wirklich«, rief sie aus.
Thurston seufzte müde. »Du bist hier von der Welt abgeschnitten, Nichola. Du kannst das nicht verstehen. Wir müssen jetzt gehen. Meine Männer warten außerhalb der Mauer. Wickle Ulric in ein paar Decken, und beeil dich, bevor das Unwetter ausbricht.«
Nichola war wie gelähmt. Erst nach einiger Zeit wich sie zurück und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht mit dir gehen, Royce ist mein Mann, und ich bleibe hier.«
»Du meinst, du willst bei ihm bleiben?«
Der Abscheu, der in seiner Stimme mitschwang, bereitete ihr Übelkeit. Sie senkte den Kopf. »Ich möchte hierbleiben.«
Einen langen Augenblick herrschte Schweigen, und als Thurston das Wort ergriff, bebte seine Stimme. »Gott sei deiner Seele gnädig, Nichola. Du liebst ihn, nicht wahr?«
Erst in diesem Moment erkannte sie die ganze Wahrheit. »Ja, ich liebe ihn.«
Wütend holte ihr Bruder aus und schlug ihr hart ins Gesicht. Die Wucht des Schlages riß sie fast von den Füßen. Sie taumelte, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. Ihr Gesicht brannte, aber sie gab keinen Laut von sich, sondern starrte ihren Bruder regungslos an.
Nie zuvor hatte er die Hand gegen sie erhoben. Er war leicht erregbar, aber meistens blieb er vernünftig. Der Krieg hat ihn verändert, sagte sie sich, er ist ein Fremder geworden.
»Du bist eine Verräterin«, zischte er.
Diese Anklage schmerzte sie mehr als der Schlag. Nicholas Augen füllten sich mit Tränen, und sie sann verzweifelt nach einer Möglichkeit, zu ihm durchzudringen. »Ich liebe dich, Thurston«, sagte sie. »Und ich habe Angst um dich. Dein Haß verzehrt dich. Denk doch an deinen Sohn – Ulric braucht dich – und vergiß diesen unsinnigen Stolz. Du mußt an Ulrics Zukunft denken.«
Er schüttelte den Kopf. »Mein Sohn hat keine Zukunft bei den Normannen«, knurrte er. »Wo ist Justin? Befindet er sich noch im Kloster?«
Bedeutete ihm sein Sohn so wenig, daß er kaum über ihn sprach und nicht einmal über die Pflichten, die er ihm gegenüber hatte, nachdenken wollte?
»Antworte mir, Nichola«, forderte Thurston. »Wo ist Justin?«
»Er ist hier.«
Nichola ergriff Thurstons Arm, aber er stieß ihre Hand beiseite. »Bitte nicht, Thurston«, hauchte sie. »Justin wollte sterben, aber Royce läßt es nicht zu.«
Thurston schien das kaltzulassen. »Wo genau hält er sich auf?«
»In den Unterkünften der anderen Soldaten.«
»Guter Gott, diese Demütigung wird ihn umbringen.«
»Royce hat sein Wort gegeben, ihm zu helfen.«
»Überbring Justin eine Botschaft von mir. Sag ihm, daß ich ihn nicht vergessen habe. Ich komme zurück ... sehr bald.«
»Nein!«
Sie merkte nicht einmal, daß sie schrie, bis der Laut von den Wänden widerhallte. Ulric wimmerte, und Nichola lief zu der Krippe und tätschelte ihm den Rücken. Der Kleine steckte beruhigt den Daumen in den Mund und schloß die Augen.
»Geh weg von ihm«, befahl Thurston. »Ich möchte nicht, daß du meinen Sohn anrührst.«
Erschrocken wich Nichola zurück und drehte sich zu ihrem Bruder um.
Ulric wäre wieder eingeschlafen, wenn Royce nicht mit solcher Wucht die Tür aufgerissen hätte, daß sie beinah aus den Angeln gesprungen wäre.
Nichola zuckte zusammen, und Ulric kreischte.
Royce stand mit gespreizten Beinen auf der Schwelle und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Er wirkte bedrohlich, aber sein Blick war das Entsetzlichste an ihm.
Nichola war nichts geschehen. Als Royce den Schrei gehört hatte, war ihm fast das Herz stehengeblieben. Im nächsten Moment war er die Treppe hinauf gestürmt und hatte sich alle möglichen Schreckensbilder ausgemalt.
Aber sie war heil und gesund.
Nichola verbarg ihre linke Gesichtshälfte vor ihrem Mann. Er würde fuchsteufelswild werden, wenn er erfuhr, daß ihr Bruder sie geschlagen hatte, und sie war entschlossen, eine Katastrophe abzuwenden. Aber sie wußte
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