Die Braut des Normannen
Ausflüchte deutlich, daß Royce mit seinem Verdacht genau richtiggelegen hatte. Dieser nichtswürdige Schurke hatte seinen Bruder tatsächlich dem Tod überlassen.
»Justin wußte genau, was Ihr ihm angetan habt, nicht wahr?« fragte Royce.
Thurston zuckte mit den Schultern. »Er hat mich verstanden. Ist mein Bruder auch zum Verräter geworden?« wollte er wissen. »Hat er Euch erzählt, was passiert ist? Oder hat Nichola ihn herumgekriegt? Hat sie seinen geschwächten Zustand ausgenutzt, um ihn dazu zu überreden, zu den Normannen überzulaufen?«
Royce beantwortete keine dieser unsinnigen Fragen. »Sagt mir eins«, forderte er. »Verdammt Ihr Nichola, weil sie mich geheiratet hat oder weil sie noch immer am Leben ist?«
»Ihr eigenes Eingeständnis hat mich dazu gebracht, sie zu verstoßen.«
»Welches Eingeständnis?«
»Sie erzählte mir, daß sie Euch zum Ehemann gewählt hat«, erwiderte Thurston. »Niemand hat sie genötigt, so etwas zu tun. Sie läßt es zu, daß Ihr sie anrührt, nicht wahr? Guter Gott, meine eigene Schwester im Bett eines Normannen! Ich wünschte, mein Pfeil hätte ihr Herz durchbohrt.«
Das war genug für Royce. Thurston war gänzlich unvorbereitet als Royce losstürmte. Seine Faust traf das Gesicht des Angelsachsen, und die Wucht des Hiebs ließ ihn rückwärts gegen den Kamin taumeln. Die Umrandung des Simses zerbarst und polterte auf den Boden.
Royce hatte Thurston die Nase gebrochen, aber er wünschte, es wäre sein Genick gewesen. Erst das schrille Geschrei des Babys brachte Royce zu sich. Er warf einen Blick in die Krippe, um sicherzugehen, daß Ulric nichts passiert war, dann trat er die Geheimtür, die in die holzverkleidete Wand eingelassen war, auf.
»Ich habe Euch gestattet, die Burg zu betreten, Thurston, weil ich mit Euch sprechen wollte. Ich möchte den Namen des Mannes erfahren, der meine Frau in London bedroht hat.«
Thurston schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr überhaupt sprecht«, brummte er und wischte sich das Blut vom Gesicht. »Wir haben niemanden in London – noch nicht«, fügte er hinzu. »Trotzdem holen wir uns bald zurück, was uns gehört. Kein einziger Normanne wird bleiben ...«
»Erspart mir Eure politischen Parolen«, unterbrach ihn Royce. »Ich will die Wahrheit wissen. Nennt mir den Namen des Angelsachsen, Thurston, oder ich werde ihn aus Euch herausprügeln.«
Ulrics Schreien drang endlich zu Thurston durch. Er ging zur Krippe, nahm seinen Sohn auf den Arm und tätschelte zärtlich seinen Rücken, um ihn zu beruhigen.
»Ich nehme meinen Sohn mit.«
»Nein, das werdet Ihr nicht tun«, erwiderte Royce. »Ihr werdet Euch nicht im geringsten um das Wohlergehen des Kindes kümmern können, aber Nichola und ich können für ihn sorgen. Es ist kalt und regnerisch draußen, und Ihr werdet Ulric nicht solchen Bedingungen aussetzen. Ich schlage Euch einen Handel vor«, setzte er schnell hinzu, ehe Thurston Einwände erheben konnte. »Wenn Ihr einen sicheren Ort für Euren Sohn gefunden habt, könnte Ihr jemanden zu mir schicken, der ihn abholt.«
»Ihr würdet ihn gehenlassen?«
Royce nickte. »Ich gebe Euch mein Wort«, sagte er. »Und jetzt möchte ich Euer Wort haben, daß Ihr wirklich nicht wißt, wer meine Frau bedroht hat.«
»Erzählt mir, was genau geschehen ist«, bat Thurston.
Royce berichtete von der alten Frau, die Nichola den Dolch gegeben hatte. Und noch während er sprach, sah er Thurstons Miene an, daß er tatsächlich nichts von diesem Zwischenfall wußte.
»Die angelsächsischen Barone, die sich William zugewandt haben, sind für uns nicht vertrauenswürdig«, sagte Thurston. »Wir würden sie niemals mit solch heiklen Aufgaben betrauen. Ihr müßt unter Euren eigenen Leuten nach den Übeltätern suchen, wir Angelsachsen lassen nie Frauen die Drecksarbeit erledigen.«
Royce glaubte ihm und sah zu, wie Thurston Ulric in die Krippe zurücklegte. Dieser Mann war sein Feind, aber er war auch Nicholas Bruder. Royce wartete geduldig, bis sich der Vater von seinem kleinen Sohn verabschiedet hatte.
Thurston holte tief Luft. Seine Vernunft sagte ihm, daß der Normanne recht hatte, aber trotzdem war es ihm zuwider, seinen Sohn im Haus seines Feindes zurückzulassen. Er mußte dem Wort eines Normannen vertrauen, und das brachte ihn beinah um.
»Ulric wird bei der Familie meiner Frau leben«, sagte er. »Wenn sie hier ankommen, werdet Ihr ihnen Ulric übergeben.«
Das war ein Befehl und keine Bitte. Royce nickte.
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