Die Braut des Normannen
Anordnungen eures Herrn befolgen müßt. Er ist jetzt der Hausherr, und ihm müßt ihr loyal gegenüberstehen, mehr als jedem anderen.«
Clarise trat einen Schritt vor. »Auch mehr als Euch, Mylady?« fragte sie stirnrunzelnd.
Nichola nickte. »Ja. Habt ihr sonst noch Fragen?«
»Was ist, wenn Ihr zuerst Eure Anweisungen gebt und der Baron das Gegenteil fordert?« wollte Alice wissen.
»Ihr werdet natürlich dem Herrn des Hauses gehorchen, Alice.«
Die Diener nickten, und Nichola lächelte immer noch. »Jetzt würde mein Gemahl gern mit euch sprechen.«
Sie würdigte Royce keines Blickes und durchquerte die Halle, dabei hoffte sie inständig, daß er sie nicht zurückrufen würde. Sie war so wütend, daß sie das erzwungene Lächeln nicht mehr länger aufrechterhalten konnte.
Nichola schimpfte den ganzen Weg zu Ulrics Zimmer vor sich hin. Ihr Mann war ein Schuft. Zuerst hatte er ihr die Festung weggenommen, und jetzt war er auch noch entschlossen, die Dienerschaft auf seine Seite zu ziehen. Es war alles so ungerecht und falsch. Warum war immer sie diejenige, die nachgeben mußte? Wahrscheinlich, weil die Normannen den Krieg gewonnen hatten. Trotzdem – sie war mit Royce verheiratet, und er sollte ihre Meinung auch gelten lassen.
So leise wie möglich betrat sie Ulrics Zimmer, um den Kleinen nicht zu wecken. Nichola schloß die Tür, und gerade in diesem Moment glaubte sie, eine Bewegung im Schatten links hinter sich ausgemacht zu haben. Sie wirbelte herum und wollte schreien, aber eine Hand preßte sich fest auf ihren Mund..
Sie wehrte sich vehement und biß ihren Angreifer in die Hand, während sie mit den Nägeln seine Arme zerkratzte.
»Verdammt, Nichola, hör auf damit. Ich bin's, Thurston.«
Sie sank matt gegen ihn. Sie konnte gar nicht glauben, daß ihr Bruder bei ihr war. Sie war überwältigt und voller Angst. »Hast du den Verstand verloren, Thurston?« flüsterte sie. »Wie konntest du nur so ein Risiko eingehen? Wie bist du überhaupt in die Burg gekommen? Lieber Gott, wenn sie dich hier finden...«
Thurston umarmte sie fest. »Ich habe den Geheimgang benutzt. Ich mußte dich sehen, Nichola. Ich wollte mich vergewissern, daß es dir gutgeht. Himmel, ich hätte dich beinah getötet – als ich dieses goldene Haar sah, wußte ich, daß dich mein Pfeil getroffen hatte.«
Die Qual, die sie aus seiner Stimme heraushörte, zerriß ihr das Herz. »Es war nur ein Kratzer«, log sie.
»Ich zielte auf den Normannen, aber du hast dich in der letzten Sekunde vor ihn geworfen. Warum? Hast du versucht, ihn zu retten? Es sah fast so aus, aber das ergibt doch gar keinen Sinn? Wußtest du, daß ich in den Bergen war?«
»Ich habe dich gesehen, Thurston, und gleich geahnt, daß du es auf Royce abgesehen hattest.«
»Royce? Ist das der Name des Mannes, der dich gefangengenommen hat?«
»Ich bin keine Gefangene«, gestand sie. »Er ist mein Mann.«
Thurstons Hände umklammerten ihre Arme so fest, daß sie befürchtete, blaue Flecken zu bekommen. Seine blauen Augen sprühten Feuer vor Wut. Nichola schob seine Hände weg. »Ich habe dir viel zu erzählen«, sprudelte sie hervor. »Verurteile mich nicht, bevor du alles gehört hast.«
Nichola zündete eine Kerze an und betrachtete ihren hübschen blonden Bruder im Licht. Auch wenn er so wütend war, sah er sehr gut aus. Sein Gesicht war unversehrt, aber er wirkte sehr erschöpft.
»Du kannst nicht hierher zurückkommen«, sagte Nichola. »Royce hat die meisten Geheimgänge bereits gefunden, und es wird nicht mehr lange dauern, bis er auch den entdeckt, der in dieses Zimmer führt. Ich will nicht, daß dir etwas zustößt.«
»Nichola, hat man dich gezwungen, den Normannen zu heiraten?«
Ihr blieb keine Zeit für lange Erklärungen, und Thurston hätte sie ohnehin nicht verstanden. »Nein.«
Er traute seinen Ohren nicht. »Man hat dich wirklich nicht gezwungen?«
»Nein«, wiederholte sie. »Ich habe ihn mir selbst ausgesucht. Wenn jemand zu dieser Heirat gezwungen wurde, dann war es Royce.«
Thurston lehnte sich an das Fenstersims. In der Ferne ertönte ein Donnergrollen, und Nichola zuckte zusammen. Ihr Bruder verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie eingehend. »Wieso hast du das getan?«
Die volle Wahrheit würde ihn nur noch mehr in Rage bringen, das wußte Nichola. »Wenn die Umstände günstiger wären und du meinen Mann kennenlernen könntest, würdest du wissen, warum ich mich für ihn entschieden habe. Royce ist ein guter Mann,
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