Die Braut des Piraten
Mantel und bin gleich wieder da.«
Cato nickte mit vollem Mund, und Olivia überließ ihn seinem schnellen Mahl. Sie ging in ihr Schlafgemach und eilte an der offenen Tür zur Kinderstube vorüber, in der sie Phoebe mit einer der Kinderfrauen reden hörte. Sie wollte den bevorstehenden Besuch nicht mit Phoebe besprechen. Noch nicht.
Mit dem Strohhut in der Hand trat sie in ihrem Schlafzimmer ans Fenster. Es bot Ausblick über den Garten und über das Meer bis zu den Needles. Die Sonne stand hoch und ließ das klare blaue Wasser schimmern Und doch war es nicht von so überwältigendem Blau wie die offene See.
Die Barkers mussten den Ankerplatz der
Wind Dancer
kennen. Mike gehörte zur Besatzung!
Plötzlich bekam Olivia dasselbe Gefühl, das spürbar gewesen war, als sie sich die Augen mit dem Halstuch des Piraten verbunden hatte. Als sie mit eisiger Unversöhnlichkeit geschieden waren und sie trotz allem momentan von seiner körperlichen Nähe, von dem, was sie geteilt hatten, überwältigt worden war. Unvermittelt konnte sie ihn riechen und spüren, ihn hören, das Leuchten in seinen Augen sehen, die Schwingung seines Mundes. In ihrem Inneren zog sich alles zusammen, als sie ebenso plötzlich von der Gewalt der physischen Erinnerung zurückschreckte.
In ihrer Beinwunde spürte sie ein peinigendes Klopfen.
Das Farmhaus der Barkers lag abgeschieden und weitab von der Straße an einem Viehweg. Die nächsten menschlichen Behausungen waren ein paar verstreute Häuser eines Weilers, an dem sie vorübertrabten, ehe sie zehn Minuten später dem Pfad zur Tür der Barkers folgten.
Olivia, die neben Giles saß, der das Ponywägelchen kutschierte, dachte unwillkürlich, dass diese Abgeschiedenheit einem Piraten, der unbemerkt kommen und gehen wollte, sehr gelegen sein musste. Sie warf Cato, der neben dem Wagen ritt, einen Blick zu.
Er bemerkte es und fragte besorgt: »Du bist doch nicht zu müde?«
»Nein, keine Spur. Die frische Luft tut mir gut, Vater.«
Er lächelte beruhigt und Olivia überließ sich wieder ihren Gedanken.
Auf dem Hof herrschte emsige Betriebsamkeit. Kinder kugelten mit Geflügel und einem Wurf junger Welpen im strohdurchsetzten Schmutz durcheinander. Zwei gelbe Hunde rannten dem Wagen wild kläffend entgegen.
»Ruhig! Zurück!« Eine Frau trat aus dem Haus und verjagte die Hunde mit dem Besenstiel, bis sie sich jaulend in die Scheune verzogen.
»Gevatterin Barker?«, fragte Cato höflich aus dem Sattel.
»Aye, Sir.« Sie sah ihn wachsam an, ehe ihr Blick den Wagen, den Kutscher und den Passagier erfasste.
Olivia ergriff die Initiative, indem sie heruntersprang und mit ausgestreckter Hand auf die Frau zuging. »Gevatterin Barker, das ist mein Vater, Lord Granville. Er kommt, um Euch für die Güte zu danken, die Ihr mir erwiesen habt.«
Die Frau erfasste die Situation sofort. »Ach, das ist nicht nötig«, sagte sie und ergriff Olivias Hand. Sie war eine Frau von beträchtlichem Umfang, deren wache, kluge Augen wie glänzende Rosinen aus ihrem runden Gesicht leuchteten. »Das hätte jeder Christenmensch getan.«
Cato stieg aus dem Sattel. »Ich stehe in Eurer Schuld, Gevatterin.«
»Das tut Ihr nicht, Sir. Ich habt mehr bezahlt, als Ihr uns schuldig wart«, erwiderte sie mit einem Knicks. »Ich dachte nicht an Geld, doch kam es sehr gelegen, wie ich sagen muss. Sie nickte Giles zu, der im Ponywagen sitzen blieb. »Guten Tag, Sir.«
»Guten Tag, Gevatterin.«
»Darf ich Euch ein Gläschen Holunderwein anbieten, Sir?« Ohne eine Spur von Unterwürfigkeit lud sie den Marquis of Granville gastfreundlich in ihr Haus.
»Meinen Dank.« Cato nahm lächelnd an, wohl wissend, dass eine Ablehnung eine arge Kränkung bedeutet hätte.
»Das Mädchen kennt den Weg«, sagte sie unbefangen und bedeutete Olivia voranzugehen.
Eine große rechteckige Küche nahm das gesamte Erdgeschoss ein. Das Herdfeuer brannte hoch, in Töpfen auf Dreifüßen brodelte es, würziger Duft drang aus dem in den Herd eingelassenen Backofen, der seine Wärme an den Raum abgab. Überall waren Kinder – Krabbelkinder, etwas größere, die schon laufen konnten, und ein paar ältere Mädchen, die mit häuslichen Arbeiten beschäftigt waren.
»Eure Familie ist ja riesig, Gevatterin«, bemerkte Cato und balancierte vorsichtig über ein Kind auf dem Boden, das offenbar dort eingenickt war.
»Ach ja. Mein Mann freut sich, weil er genug fleißige Hände für die. Farm und die Fischerei hat und ohne fremde Hilfe auskommt«, sagte
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