Die Braut des Piraten
Gedankengängen ausreichend vertraut, um zu wissen, dass er sein Spielzeug mit allen Gegebenheiten des großen Schiffes ausgestattet hatte.
»Und wie werden die Nachrichten überbracht?«, fragte sie gespannt.
»Die werden in Catherine's Down hinterlassen. In der Betsäule, hörte ich sie sagen. Dort ist eine Flagge.« Unter einem Windstoß kenterte das Schiffchen, und der Junge verlor das Interesse an dem Gespräch. Wieder watete er ins Wasser, um sein Schiff zu retten.
Olivia schien er vergessen zu haben. Er gehört unbestritten zu den kleinen Leuten mit großen Ohren, überlegte Olivia. In einer so großen Familie, die in einem so kleinen Haus wohnte, war es kaum verwunderlich, dass ein aufgewecktes Kind Dinge aufschnappte, die es nicht hören sollte und deren Bedeutung es begriff.
Olivia ging wieder ins Farmhaus, wo Cato seinen Becher leer getrunken hatte und Anstalten machte zu gehen. Olivia trat ein, nach dem hellen Sonnenschein momentan im Halbdunkel schier blind. »Ein hübsches Schiff, das Mike schnitzte«, lobte sie. »Ich sah zu, wie sein Bruder es auf dem Ententeich segeln ließ.«
»Ja, unser Mike hat geschickte Hände«, erwiderte die Hausfrau und blickte die in der Tür stehende Olivia auf einmal mit einer gewissen Schärfe an.
»Geht er seinem Vater beim Fischfang zur Hand?«, fragte Cato.
»Ab und zu schon. Meist verdingt er sich aber als Hilfe auf den großen Fischkuttern, die von Ventnor auslaufen.« Sie ging zur Tür. Ihre Gäste wollten aufbrechen, und sie hatte viel zu tun.
Cato trat hinaus auf den Hof, und Olivia folgte ihm. Der Junge spielte noch immer mit dem Schiff. Olivia nahm Platz im Wagen, während Cato sein Pferd bestieg. »Nochmals danke für Eure Güte, Gevatterin.«
»Für gar nichts, Miss.« Die Frau, deren Blick zu ihrem spielenden Sohn glitt, hatte kein Lächeln mehr für sie übrig.
»Schon gut«, raunte Olivia. »Von mir hat niemand etwas zu befürchten.«
Die Frau sah aus, als wolle sie etwas sagen, dann aber sprach Cato ihr noch einmal seinen Dank aus, und sie musste sich dem Marquis zuwenden.
Nachdem sie die Farm hinter sich gelassen hatten, wurde auf dem Rückweg nach Chale wenig gesprochen. Olivia antwortete auf gelegentliche Bemerkungen ihres Vaters, hing aber meist ihren eigenen Gedanken nach.
Die
Wind Dancer
hatte ihren Ankerplatz in einer Klippenschlucht. Da diese Einschnitte nicht durch Pfade von oben aus erreichbar waren, blieben sie geheim und unentdeckt. So viel wusste Olivia von der Insel. Die schmalen Buchten waren nur vom Meer aus zugänglich, da der obere, stellenweise brüchige und daher gefährliche Klippenrand keinen direkten Zugang gestattete.
Und sie wusste, wie man Anthony eine Botschaft zukommen lassen konnte.
»Hat Phoebe mit dir über den Empfang des Königs heute Abend gesprochen?«, fragte Cato, als er ihr vor der Haustür aus dem Wagen half. »Ich möchte, dass du mitkommst. Natürlich wäre es auch bei einem anderen Anlass möglich, falls du heute zu müde bist, aber wir müssen ja nicht lange bleiben.«
»Phoebe erwähnte es. Natürlich werde ich euch begleiten.« Sie lächelte, obwohl es ihr Mühe bereitete. Cato schien zufrieden zu sein. »Du hast Phoebe einen Dichter versprochen, Vater.«
»Ich fürchte nur, dass er über herzlich wenig Talent verfügt«, seufzte Cato. »Aber ein anderer war nicht aufzutreiben.«
»Phoebe nimmt mit jedem Dichter vorlieb«, lächelte Olivia, was der Wahrheit entsprach.
Cato lachte und wandte sich mit einer Frage an Giles. Olivia ging währenddessen ins Haus.
Sie wusste also, wie man mit dem Herrn der
Wind Dancer
in Kontakt treten konnte.
Hatte sie das wissen wollen? Hatte sie deshalb versucht, es herauszufinden?
Natürlich nicht. Der Mann, den sie zuletzt gesehen hatte, der Mann, der sich von ihr so kalt und gleichgültig verabschiedet hatte, der sich geweigert hatte, ihre zögernde und unartikulierte Entschuldigung anzuhören, war nicht der Mann, den sie wiedersehen wollte. Außerdem hatte er klar zu verstehen gegeben, dass auch er kein Wiedersehen wünschte. Sie besaß nur ein Stück nutzloser Information. Die einzige Genugtuung lag in der Gewissheit, dass es dem Herrn der
Wind Dancer
sehr gegen den Strich gehen würde, dass sie darüber verfügte.
Kapitel 8
»Das Kleid steht dir wundervoll«, bemerkte Phoebe, als Olivia am Abend den Salon in einer Robe aus oranger, mit schwarzer Spitze abgesetzter Seide betrat, die ihr dunkles Haar und ihren hellen Teint vollendet hervorhob. Phoebe
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