Die Braut des Piraten
ignorierte Phoebes entrüsteten Blick, weil sie ohne viel Federlesens weitergereicht wurde.
»Aber natürlich.« Seine Bitte um ihren Beistand verbesserte Lady Hammonds Laune sichtlich. »Hier entlang, Lady Granville … Lady Olivia. Ich will sehen, ob der König Euch empfängt.« Sie segelte durch die Menge, indem sie mit einem Schwenken ihres Fächers die Menschen einfach aus dem Weg scheuchte.
»Wichtigtuerischer, zahnloser alter Besen«, murmelte Phoebe. »Die wird demnächst über ihre eigene Arroganz stolpern.«
Olivia griente. Allmählich fühlte sie sich besser.
König Charles saß vor dem Kamin, in dem ungeachtet der Jahreszeit ein Feuer brannte. Sein Haupt lehnte an der hohen verzierten Rückenlehne seines Stuhls. Er hielt einen Weinkelch in der Hand, während er geduldig dem Mann zuhörte, der mit ihm sprach.
Die Bereitwilligkeit, mit der er jedoch Mistress Hammond zur Kenntnis nahm, sprach für sich.
»Ach, Madam, was für angenehme Gesellschaft wir haben.« Er richtete den Blick unter schweren Lidern hervor auf die zwei jungen Frauen in ihrer Begleitung. »Dürfte ich um das Vergnügen bitten … ?«
Mistress Hammond übernahm die Vorstellung. Olivia und Phoebe knicksten. Der Blick des Königs war matt, sein Lächeln aber ausnehmend huldvoll.
»In glücklicheren Zeiten zählte ich Lord Granville zu meinen treuesten Dienern«, sagte er seufzend. »Aber die Lage ist mir entglitten. Sagt mir, wie Euch diese Insel zusagt. Ich glaube, sie hat einige angenehme Aspekte. Ich pflegte regelmäßig auszureiten, aber …« Wieder seufzte er. In der ersten Zeit seiner Haft hatte Colonel Hammond ihm beträchtliche Freiheiten gewährt, seit seinen unglücklichen Fluchtversuchen aber musste er auf diese Vergünstigungen verzichten.
»Sehr angenehm, Sire«, sagte Phoebe, gewillt, ihre Pflicht zu tun.
Olivia vernahm kein Wort. Sie starrte einen Mann am anderen Ende des Raumes an – einen Mann, der die Menge um Schultern und Haupt überragte. Der Pirat war in bronzefarbene Seide gekleidet. Sein goldenes Haar hing ihm lose und gelockt auf die Schultern. In den üppigen Rüschen an seinem Hals steckte eine schwarze Perle.
Die Menge teilte sich vor ihm, sodass sie ihn deutlich sehen konnte. Sein Waffengürtel war aus kunstvoll verarbeitetem Leder, der Griff seines Degens mit Edelsteinen besetzt. Es war nicht der Degen, den er bei der Kaperung der
Dona Elena
benutzt hatte. Olivias Herz tat einen Sprung, als die Erinnerung sie überfiel. Sie sah ihn an, nicht im Stande, den Blick von ihm zu wenden.
Was mochte er hier tun?
Er bewegte seine Hand beim Sprechen, und sie sah den großen Onyxring an seinem Mittelfinger. Seine langen schmalen Hände, so geschickt mit der Schreibfeder, so stark am Ruder eines Schiffes, so kühl und klug auf ihrer nackten Haut.
O
Gott, wie war dies möglich?
Die Röte stieg ihr in die Wangen und verblich wieder. Ihre Haut prickelte, als hätte ein Mückenschwarm sie gestochen.
Ein scharfer Schmerz im Knöchel versetzte sie jäh zurück in die Wirklichkeit. Sie befand sich in Gegenwart des Königs und konnte Seine Allerhöchste Majestät nicht einfach ignorieren.
»Meine Stieftochter, Lady Olivia, findet, dass die Insel ihren Studien äußerst förderlich ist«, sagte Phoebe und trat wieder verstohlen, aber kräftig gegen Olivias Knöchel. Olivia glaubte, alle Engel singen zu hören und schnitt ein Gesicht, als hätte sie den Verstand verloren.
»Studien, Lady Olivia?« Der König sah gelangweilt drein. »Welche Studien betreibt Ihr?«
»Hm … nun …«
Der König lachte nicht unfreundlich. »Eure Stiefmutter ist voreingenommen, wie ich sehe. Meiner Meinung nach sind die Härten des akademischen Studiums nichts für junge Damen. Ich weiß sehr wohl, dass sie leichtere Betätigungen vorziehen.«
Olivia fühlte sich zu einer Äußerung gedrängt. »N-natürlich, Sire. Wie alle Frauen leide ich an Gehirnschwäche. Komplexes analytisches Denken überschreitet die Möglichkeiten meines Geschlechtes.«
»Nun, es stimmt, dass Frauen die Feinheiten logischen Denkens nicht zu erfassen vermögen«, gab der König ungerührt zurück. Sein abschweifender Blick gab zu verstehen, dass er das Interesse an seiner momentanen Gesellschaft verloren hatte.
Phoebe und Olivia knicksten und zogen sich zurück.
»Was ist denn?«, fragte Phoebe.
»Der Garderobenraum … ich muss dorthin … ganz dringend.« Olivia stürzte sich in die laute, nicht gerade köstlich riechende Menge.
Sie wusste nicht, was
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